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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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wollte mir Hunter mit all dem sagen? Ein anderer Kellner brachte meine Suppe.
    »Einen Moment! Bringen Sie uns noch diesen hier, ja?« Hunter zeigte auf eine bestimmte Stelle der Weinkarte. Er ist nicht nur aufgeregt, dachte ich, er wirkt geradezu manisch.
    »Dann willst du also wieder dorthin zurück? Ist es das, was du mir sagen willst?«
    Hunter brach sich ein Stück Baguette ab, schob es sich in den Mund und beantwortete dann kauend meine Frage. »Ich möchte an einem Ort leben, wo ich mein volles Potential ausleben kann, Abra.«
    Ich räusperte mich. »Und wo genau glaubst du, diesen Ort zu finden?«
    »Magda meint, dass der beste Ort für mich ein alter Wald wäre, wo man sich auch heute noch Sagen über magische Tierwesen erzählt. Dort besteht am ehesten die Chance... die Chance, ganz der zu werden, der ich vielleicht in Wahrheit bin. Es muss ein alter Wald sein, der auf die lange Geschichte einer Verbindung zwischen Mensch und Tier zurückblickt. Magda nennt solche Orte Grenzgebiete... Orte, an denen sich mehr als eine Realität zeigt, sich verschiedene Wirklichkeiten überschneiden.«
    Jetzt ging mir das Ganze doch allmählich zu weit. »Verstehe ich richtig? Willst du damit sagen, dass auch Magie ein Katalysator für diesen Virus sein könnte?«
    »Magda hat mir gezeigt, dass sich der Glaube an die Wissenschaft und der Glaube an magische Kräfte nicht unbedingt gegenseitig ausschließen müssen. Das sind nur unterschiedliche
Arten von Wahrheit, Abs. Alte Orte – wilde Orte – können Magdas Meinung nach bestimmte Dinge in uns auslösen. Nicht unähnlich der Wirkung von Musik oder Bildern. Oder meinetwegen auch der von Gedichten.«
    Dieser Version der Wahrheit nach war ich vermutlich die leidenschaftslose, trockene Akademikerin, während Magda die lyrische Zauberin darstellte. Ich machte mir nicht einmal die Mühe, ihm zu widersprechen. Stattdessen dachte ich daran, wie Hunter in den letzten Wochen so leidenschaftlich über seinen Computer gebeugt gewesen war und ebenso wild seinem sexuellen Verlangen Ausdruck verliehen hatte. Es war einfach eine Art Anfall gewesen, der Versuch, seinen unterdrückten Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Mit mir hatte das herzlich wenig zu tun.
    Meine Suppe wurde kalt. Ich rührte darin herum, konnte mich aber nicht dazu bringen, sie zu kosten. »Dann willst du mich also für Magda verlassen.«
    »Nein, Abs.« Hunter lächelte. Zum ersten Mal in unserer langen Beziehung musste ich an die Geisteskrankheit seiner Mutter denken. Hatte sie diese wirklich an ihren Sohn vererbt? »In der Nähe von Northside, wo meine Familie ihr Haus hat, gibt es uralte Wälder. Und Sagen über Werwölfe, die auf die ersten Siedler zurückzuführen sind. Einige Geschichten gehen vermutlich sogar auf die Indianerstämme zurück, die früher dort lebten.«
    Er brach noch ein Stück Baguette ab und steckte es sich in den Mund. Pascal kam wieder an unseren Tisch, diesmal mit einer Flasche Wein. Er war sichtlich irritiert, als Hunter einfach weitersprach und nicht auf den Kellner achtete.
    Pascal schenkte also mir einen Schluck des Weins ein, zum Probieren. »Madame?«

    »Gut«, sagte ich, wobei ich kaum schmeckte, was ich in den Mund nahm.
    »Vielen Dank«, bemerkte Hunter zum Kellner, ohne ihn anzusehen. Dann stürzte er das ganze eingeschenkte Glas auf einen Satz hinunter. »Jedenfalls muss ich nach Northside.« Er lehnte sich vor, trommelte unruhig mit den Fingern auf den Tisch und sehnte sich zweifellos nach einer Zigarette, an der er sich hätte festhalten können.
    »Nach Northside? Du willst in diesen alten Kasten in Northside ziehen?« Ich konnte kaum glauben, dass das schon alles gewesen sein sollte. Hunter hatte mir den Namen der anderen Frau in seinem Leben genannt; er hatte erklärt, dass er sich nach den Karpaten und ihrer leidenschaftlichen Atmosphäre sehnte. Da würde es ihm doch sicher nicht reichen, einfach nur nach Northside zu ziehen.
    Hunter trank auch sein Glas Wasser auf einen Satz leer und rülpste. Ich hatte noch nie erlebt, dass er sich derart schlecht bei Tisch benahm. Als er sich dann auch noch den Mund mit dem Handrücken abwischte, war ich mir sicher, dass er betrunken sein musste.
    »Ich will nicht für Magdalena arbeiten. In ihrem Territorium hat sie das Sagen. Ich will meinen eigenen Weg gehen, Abra. Und Northside ist dafür ein guter Ausgangspunkt. Seitdem mein Vater wieder geheiratet hat und nach Arizona gezogen ist, kommt er kaum jemals in das Haus zurück. Und ihm

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