Wolfstraeume Roman
du besitzt.««
Du weißt ganz genau, dass du schön bist. Ich musste tief Luft holen, weil mir vor Glücksgefühl beinahe schwindlig geworden war.
Ein weiterer Kellner trat mit der Speisekarte an unseren Tisch. »Guten Abend. Mein Name ist Pascal. Ich werde Sie heute bedienen«, stellte er sich vor. Mir fiel auf, dass er von uns beiden Hunter den Vorzug gab. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Hunter hatte sich vor kurzem die Haare schneiden lassen, die nun in lässigen Locken in sein Gesicht fielen und seine hohen Wangenknochen betonten. Er wirkte luxusverwöhnt und tollkühn, als fahre er einen alten Porsche und entschärfe hauptberuflich Bomben.
Auf einmal bemerkte ich, dass er seinen silbernen Ehering nicht trug. Das war ungewöhnlich, denn normalerweise zog er ihn nur ab, wenn er sich auf eine seiner abenteuerlichen Reisen begab.
»Du trägst deinen Ring ja gar nicht.« Ich hatte den Ring
aus einer Laune heraus auf einem Flohmarkt erworben und war mir ziemlich sicher gewesen, dass Hunter keinen anderen Schmuck als seine Armbanduhr tragen würde. Doch zu meiner Überraschung hatte er erklärt, dass ihm die Idee gefiele, eine Markierung zu haben.
»Was? Ach, der. Ich hab es mir wahrscheinlich abgewöhnt, ihn zu tragen, als ich in Rumänien war. Zu Hause ziehe ich ihn wieder an.« Er streckte die Hand aus, um die meine zu ergreifen. Gerade als mich seine Finger berührten, kehrte Pascal mit den Aperitifs zurück.
»Monsieur. Madame.« Hunter ließ meine Hand so abrupt los, dass ich einen Moment lang benommen dasaß. »Ich komme gleich wieder, um Ihnen zu sagen, welche Spezialitäten wir heute anbieten.«
Ich nippte an meinem Champagner-Cocktail und betrachtete die Speisekarte, die wie eine Hochzeitsanzeige auf Pergament gedruckt war. Zu meiner Überraschung konnte ich kein Gericht entdecken, in dem sich nicht irgendeine Form von Fleisch befand: frischer Salat mit Ziegenkäse und knusprigem Apfelspeck. Ravioli mit Enten und Pilzen. Selbst die Gemüsesuppe hatte Fleischwontons als Einlage.
»Hunter«, sagte ich. »Ich kann hier überhaupt nichts essen.««
»Was?« Er blickte auf. »Da ist Salat und so. Oder auch Käse.«
»Aber da ist überall Fleisch drin.«
»Verflucht, Abra! Wir sind doch nicht mehr im College. Du musst dich nicht so puristisch geben. Leg einfach beiseite, was du nicht magst.«
Ich starrte ihn an und musste an den Dalmatiner denken, der mich angegriffen hatte. Sieh woanders hin, ermahnte
ich mich innerlich, entschloss mich dann aber, zur Abwechslung einmal in die Offensive zu gehen. »Ich finde es nicht sonderlich rücksichtsvoll von dir, ein Restaurant auszuwählen, in dem es keine vegetarischen Gerichte gibt. Vor allem wenn du mich zu meinem Geburtstag ausführen willst, Hunter.«
Er schwieg verblüfft und fasste dann nach meiner Hand. »Du hast Recht, Abs. Tut mir leid. Ein Freund bei Vanity Fair hat mir von diesem Lokal erzählt, und ich habe geglaubt... Möchtest du gehen?«
Das ist so unfair, dachte ich. Er wusste genau, wie sehr ich es hasste, eine Szene zu machen. Wenn wir jetzt gingen, würde das nicht unbemerkt geschehen. »Nein«, erwiderte ich notgedrungen.
Hunter las rasch die Speisekarte durch. »Wie wäre es zum Beispiel mit gedünstetem Gemüse und... äh... gestiftelten Kartoffeln?««
Zwei Beilagen. »Okay.«
Pascal trat wieder an unseren Tisch und begann mit gelangweilter Stimme aufzuzählen, was es an diesem Abend als Spezialitäten gab: Gebratene Ente mit Weißrüben. Kalb in Petersilienmantel. Kaninchenragout auf Dijonsenf und Calvados. Ohne mit der Wimper zu zucken leierte er die Gerichte auf Französisch herunter und sah uns dann herablassend an, als wartete er nur darauf, dass wir nach einer Übersetzung fragten.
Ich gab meinem Mann ein Zeichen, als Erster zu bestellen. Er dachte einen Moment nach. »Wie ist das Ragout de Lapin? Gut?«
»Ausgezeichnet.«
»Dann nehme ich Ragout.«
»Mit dem größten Vergnügen, Monsieur. Und Madame wünschen?««
Mir blieb keine große Wahl. »Also... ich nehme... ich denke, ich fange mit der Sauerampfersuppe an, und während mein Mann seinen Hauptgang isst...«, ich konnte mich nicht dazu bringen, das Wort >Kaninchen< auszusprechen, »... können Sie mir die... äh... sautierten Artischocken bringen.« Ich klappte die Speisekarte zu und reichte sie Pascal zurück.
»Und das wäre alles, Madame?«
Ich warf ihm einen kühlen Blick zu. »Ja, das wäre alles. Danke.««
»Wenn ich vielleicht noch die
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