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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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Störenfriede loszuwerden – wie zum Beispiel durch das Verstreuen von Salz oder die Anschaffung eines Hundes. Mir gefiel die Vorstellung, endlich einen Hund zu haben, vielleicht sogar einen Welpen. Ich hatte mir schon lange ein Haustier gewünscht.
    Hunter war jedoch strikt dagegen. »Du wirst bald schon den ganzen Tag in irgendeiner Praxis sein, und ich habe absolut keine Lust, mit einem wasserköpfigen, unterwürfigen Dussel von Hund hier festzusitzen.« Damit hatte sich diese Frage erledigt.
    Ich verbrachte die folgende Woche damit, die Gegend besser kennenzulernen. Um irgendwo hinzukommen, brauchte ich fast immer eine geschlagene Stunde mit dem Wagen. Ich fuhr die langen, gewundenen Landstraßen entlang, die an endlosen Kornfeldern und Weideland vorbeiführten. Auf der Suche nach einem Elektriker, um auch
im ersten Stock Strom zu verlegen, stolperte ich zufälligerweise über ein gut bestücktes Antiquariat. Daraufhin vertiefte ich mich einige Tage lang in die Lieblingsbücher meiner Kindheit. So las ich voller Begeisterung James und der Riesenpfirsich, Der König von Narnia und julie von den Wölfen und vergaß für eine Weile, wie sehr sich mein Leben verändert hatte.
    Die Nächte allerdings kamen mir endlos lang vor. Wir hatten im Schlafzimmer keinen Fernseher, und auch sonst gab es nur einen kleinen Apparat im Erdgeschoss, der jedoch kein anderes Programm als das eines lokalen Senders in Poughkeepsie empfing. Irgendwie fehlten mir die freundlichen Nachrichtensprecher und Meteorologen, und außerdem bedrückte mich die Tatsache, dass ich nicht zwischendurch einfach mal einen netten alten Film sehen konnte.
    Die Größe des Hauses ließ mich sowieso die meiste Zeit in unserem Schlafzimmer verbringen. Nachts konnte ich mich nicht mal dazu überwinden, in die Küche hinunterzugehen, um mir eine Schale Cornflakes zu holen. In unserer sechsten Nacht in Northside schaffte ich es sogar, die halbe Treppe hinunterzuschleichen, ehe mich eine knarzende Stufe und die schreckliche Stille wieder innehalten ließen. Ich machte kehrt und lief schnurstracks zu Hunter in den Speicher, wo er schon seit vielen Stunden saß.
    »Hunter?«
    Er bedachte mich mit einem kühlen Lächeln. »Abra. Wie läuft’s?« Sein unaufmerksamer Blick wanderte zu seinem Laptop zurück.
    »Ich... ich gewöhne mich allmählich ein. Willst du vielleicht auch bald ins Bett kommen? Es ist schon spät.« Ich
bemühte mich, gleichzeitig einladend und doch auch locker zu klingen.
    »Ja, vielleicht.« Er seufzte. »Ich arbeite, Abs. Du hast gewusst, dass ich vor allem arbeiten würde, als du mit mir nach Northside gezogen bist. Ich bin hergekommen, um zu schreiben. Das weißt du.«
    »Ja, klar«, erwiderte ich und ging in Richtung Treppe. »Ich verstehe das natürlich.«
    »In einer Woche oder so, wenn ich mich richtig eingearbeitet habe...«
    »Natürlich, klar.« Die letzten Worte blieben mir fast im Halse stecken. Schluchzend rannte ich in unser Schlafzimmer und warf mich auf unser New Yorker Bett.
    Die meisten anderen Dinge hier hatten nichts mit mir zu tun. Da gab es eine hässliche Eichenkommode und einen zerbrechlich aussehenden Korbstuhl. An der Wand hing ein gesticktes Bild, an dem sich bereits Motten erfreut hatten. Ich lag auf dem Bett und wischte mir über die Augen. Ein heftiger Wind rüttelte an den Fensterläden. Offenbar braute sich ein Sturm zusammen. Als Kind in Pleasantvale hatte ich mich immer über Stürme gefreut. Man konnte sich dann problemlos mit einem Buch ins Haus zurückziehen und kam den anderen nicht seltsam vor, nur weil man keine Lust hatte, draußen mit ihnen zu spielen. In New York hatten Stürme nie sonderlich bedrohlich gewirkt. Lilliana, die in Manhattan aufgewachsen war, hatte mir einmal erzählt, dass sie niemals Angst vor Gewittern oder Stürmen gehabt hätte.
    Ich stand auf und trat ans Fenster, wo ich die Stirn gegen die Scheibe drückte und hinausblickte. Es herrschte ein peitschender Wind, der Zweige und Äste abriss, ehe das
Laub die Möglichkeit hatte, sich in hübsche herbstliche Farben zu verwandeln.
    Man konnte das Heulen des Sturms hören. Hier gab es keine Autos oder menschliche Stimmen, die es überdeckt hätten. Northside ließ sich mit einem Vorort wie Pleasantvale nicht vergleichen. Hier herrschte die Natur, unmittelbar und rücksichtslos. Hier konnte man auf keine Gnade hoffen. In meinem Nachthemd und den bloßen Füßen auf dem kalten Dielenboden fühlte ich mich auf einmal sehr verletzlich.
    Ich

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