Wolfstraeume Roman
ging zum Kleiderschrank und holte die weichen Plüschhausschuhe im Stil eines Dalmatinerfells heraus, die mir Lilliana zum Abschied geschenkt hatte. Rasch schlüpfte ich hinein und zog dann meinen hellblauen Frotteebademantel über. Ich hatte nicht vor, mich in eine nervenschwache neoviktorianische Hausfrau zu verwandeln.
Entschlossen ging ich auch die knarzende Treppe hinunter, wobei ich bewusst fest auftrat. Ich wollte durch die Küche in den Garten hinaus, um mich dort dem Sturm zu stellen. Es reichte mir nämlich, ich hatte keine Lust mehr, mich einschüchtern zu lassen! Danach wollte ich in die Küche und mir eine Schale mit Cornflakes und Milch machen, die ich dann im Wohnzimmer zu essen gedachte, und zwar vor dem alten Schwarzweiß-Fernseher mit seinem flimmernden Bild.
Ein Blitz schlug nicht allzu weit von unserem Haus entfernt ein. Die Lichter flackerten. Trotzdem ging ich entschlossen weiter, immer brav einen Plüschfuß vor den anderen setzend.
Als ich die Küchentür in den Garten hinaus öffnete, traf mich eine Windböe mitten ins Gesicht. Ich kämpfte mich
ein paar Schritte ins Freie hinaus und hob das Gesicht, um es vollregnen zu lassen. Plötzlich hörte ich ein Heulen. Es war diesmal nicht das Heulen des Windes, sondern schien von einem elektrischen Knistern begleitet zu werden. Es klang hoch und klar und stammte auch nicht von einem Hund. Mit pochendem Herzen begriff ich, dass ich gerade einen Kojoten gehört haben musste.
Dann folgte ein weiteres Heulen, das tiefer und stärker klang. Nein, nicht stärker – nur näher. Ich blickte mich suchend um und sah schließlich nach oben. Hunter streckte seinen Kopf aus der winzigen Luke im Speicher. Er war es, der diese Laute von sich gab, die dem Heulen eines Wolfes täuschend ähnlich klangen. Ganz offensichtlich hatte die rumänische Magdalena ihm so manches beigebracht.
Ein wenig verstört kehrte ich ins Haus zurück und hob den Hörer des alten schwarzen Drehtelefons ab, um meine Mutter anzurufen. Doch wir waren nicht mehr in Manhattan: Das Gewitter hatte die Leitung lahmgelegt.
18
» Ich hoffe, wir sind nicht zu früh dran, Doc«, sagte Red, als er durch die Haustür trat. Er musterte mich so rasch, dass ich für einen Moment glaubte, es mir nur eingebildet zu haben. Nein, sein Blick wanderte tatsächlich zu meinen Brüsten – unter einem grünen Pulli verborgen – und dann wieder zu meinen Augen. Ich trug die Haare offen und hatte mir die Wimpern getuscht. Offensichtlich gefiel ihm, was er sah.
»Nein, Sie sind genau rechtzeitig.«
Seine Augen schienen sich in die meinen zu bohren. Ich hatte das Gefühl, als müsste er sich konzentrieren, damit sie nicht wieder woanders hinwanderten. Er trug eine alte Schaffelljacke, die noch ziemlich viel Schaf an sich zu haben schien.
»Wir wollten da sein, ehe die Sonne untergeht, damit ich Ihnen die Grenzen Ihres Landes zeigen kann.« Seine Augen schossen nun unruhig hin und her, als wäre es ihm nicht mehr möglich, mich klar anzuschauen. Zu meiner Überraschung stellte ich auch fest, dass sich auf seinen Wangen rote Flecken zeigten.
Ich brachte Red offenbar zum Erröten...
»Klingt gut. Wie geht’s, Jackie?«
Galant half Red seiner Begleitung aus einer grauenvoll hässlichen Jacke mit einem Pferdemuster. Sie hatten die kalte Luft von draußen ins Haus gebracht, und Jackie roch stark nach Zigarette.
»Nicht schlecht. Hier – für den Einstand.« Sie reichte mir ein Päckchen mit Gästeseifen in der Form von Schafen.
»Oh, vielen Dank. Das ist lieb von Ihnen. Hier – ich nehme Ihnen die Jacken ab.« Der Zigarettenrauch war tief in den Wollstoff eingedrungen. Ich hielt Jackies Jacke so weit wie möglich von mir entfernt.
»Wow.« Jackie sah sich in dem alten Foyer mit dem grüngelben Glasfenster um und stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich habe mich schon immer gefragt, wie es hier drinnen wohl aussieht. Ich kannte den alten Hausmeister, Harvey, recht gut, wissen Sie.«
»Dann wussten Sie also bereits, dass dieses Haus in Wahrheit ein Mausoleum ist... Red? Wollen Sie mir auch Ihre Jacke geben?« Er schnüffelte interessiert in die Luft, und ich fragte mich, ob das Chili wohl angebrannt war.
»Oh... ja, klar. Ich hab mich nur... haben Sie vielleicht einen Hund oder so?«
»Nein. Wieso?« Ich hängte Jackies Jacke in den Schrank im Foyer. Wollte er damit andeuten, dass wir einen Wachhund bräuchten?
»Manche sperren ihre Hunde ein, wenn Gäste kommen. Aber Jackie und ich sind echte
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