Wolfstraeume Roman
schmeicheln? Nein, danke. Den Gefallen tue ich dir nicht noch einmal.«
»Es ist wohl kaum mein Ego, das dich stört, Abra. Aber vergiss nicht, dass du eine verheiratete Frau bist. Also hör auf, mit mir zu flirten.«
»Ich wollte nicht mit dir...«
»O doch, das wolltest du.« Red blieb stehen und drehte sich zu mir um. »Ich sehne mich so wahnsinnig nach dir, dass es nicht viel bräuchte, um alle meine guten Vorsätze über Bord zu werfen. Aber wenn wir miteinander schlafen und ich in dir komme, dann würde mich dein Mann umbringen.«
Ich starrte verwirrt auf den Boden. »So ist Hunter nicht. Du schätzt ihn völlig falsch ein. Außerdem...«, meine Stimme klang überraschend ruhig, als ich meine Befürchtung
aussprach, »... außerdem ist er ziemlich sicher in jemand anderen verliebt.«
Red hob sanft mein Kinn, so dass ich ihm in die Augen sehen musste. »Dann verlass ihn. Verlass ihn und komm mit mir.« Er lächelte. Sein wettergegerbtes Gesicht wirkte fast jungenhaft, und seine haselnussbraunen Augen funkelten schelmisch. »Bleiben wir die ganze Nacht auf. Ich schlafe auch nicht sonderlich viel.«
»Woher weißt du, dass ich schlecht schlafe?«
»Ich beobachte dich, wenn wir uns sehen, und wenn du nicht da bist, denke ich über dich nach. Manchmal verrätst du dich, und ich bin ein guter Beobachter.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll...«
»Du musst gar nichts sagen.«
Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis wir meinen Wagen erreicht hatten. Ich stieg ein und ließ den Motor an. Nach einem kurzen Zögern öffnete Red die Beifahrertür.
»Es ist wahrscheinlich besser, wenn ich dich ganz nach Hause bringe.«
»Red, hör zu... ich werde dich nicht fragen, was du bei Jackie gemacht hast. Ich bin noch nicht so weit, mich dieser ganzen... dieser ganzen Sache zu stellen. Aber ich werde über das nachdenken, was...«
Er stieg ein. »Fahr einfach los.«
»Soll ich dich zuerst nach Hause bringen? Du wohnst ja nicht weit von uns.«
»Ich kann von euch aus zu Fuß gehen.«
Im engen Auto nahm ich Reds Geruch wahr. Er roch nach männlichem Schweiß, der allerdings schärfer zu sein schien, als ich das gewöhnt war. Trotzdem war es kein unangenehmer Geruch, sondern wirkte gesund und natürlich.
Ich kurbelte das Fenster herunter, um die kühle Nachtluft hereinzulassen. Als ich losfuhr, leuchtete der Himmel in der Ferne hell auf.
»Es kommt ein Sturm auf«, sagte ich. Red antwortete nicht, sondern schaute aus dem Fenster. Er schien etwas zu beobachten, was ich nicht sehen konnte. Auf seiner Haut zeigten sich Schweißperlen. »Red?«
Der Regen fing ganz plötzlich an, zuerst nur mit einigen Tropfen, dann kam ein Schauer und schließlich brach es in einem undurchdringlichen Sturzbach aus Wasser über uns herein. Die Scheibenwischer kamen kaum mehr hinterher, und die Scheinwerfer meines Wagens erhellten nur einen halben Meter vor uns. Es donnerte und blitzte. Ich wusste nicht, ob ich mich noch auf der Hauptstraße befand oder bereits abgekommen war. Hastig stellte ich das Radio an, um den Wetterbericht zu hören.
»... und für den Norden von Dutchess County und Columbia County gibt es eine Sturmwarnung«, erklärte die Sprecherstimme. »Dort kommen starke Winde auf, es kommt zu Gewittern und möglicherweise Hagel. Für die Region des Upper Hudson Valley besteht Tornado-Gefahr. Vor allem betroffen sind Cooperstown, Milltown, Cedar Plains, Northside...« Red schaltete das Radio ab.
Meine Zähne klapperten. »Was tun wir jetzt?«, fragte ich nervös.
»Fahr einfach weiter. Du machst das sehr gut. Nur noch drei Kilometer bis zu deinem Haus, wenn wir eine Abkürzung nehmen.« Er legte seine Hand auf die meine und lenkte so das Auto auf einen unbeschilderten Weg. Wieder donnerte es. Ein Blitz schlug ganz in unserer Nähe ein. Ich zuckte zusammen und versuchte mich daran zu erinnern,
wie man zählte, um zu wissen, wie weit das Gewitter entfernt war. Mein Herz pochte wie wahnsinnig, und ich hatte das Gefühl, die rationale Welt verlassen zu haben und mich in einer seltsamen Zwischenzone zu befinden, wo es plötzlich nicht mehr so unwahrscheinlich erschien, dass man sterblich war.
Etwas huschte über den Weg. Ruckartig trat ich auf die Bremse. Die Reifen quietschten, der Wagen kam ins Schleudern. Wie in Zeitlupe bewegten wir uns auf einen Baum zu. Für einen Moment stellte ich mir vor, wie die Lokalnachrichten über den Unfall berichten würden. Dann riss Red das Lenkrad herum, wir hatten den Wagen
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