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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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aus, der selbst noch den Regen und den Sturm übertönte.
    »Oh, mein Gott, Red! Bist du...«
    Wie alles Unerwartete geschah es blitzschnell. Red fiel auf seine Hände und Knie, schüttelte den Kopf und sah mich dann eine ganze Weile an. In seinem Blick lagen weder Schalk noch Zärtlichkeit oder Verlangen. Er zwinkerte auch nicht. Doch als er zwischen den Bäumen verschwand, war er – kein Mensch mehr.
    Ich war derart schockiert, dass ich eine Weile brauchte, um zu merken, dass er gar nicht davonlief. Und ich brauchte eine weitere Minute, bis ich begriff, dass ich ihm folgen sollte.
    Erst als ich den düsteren Umriss meines Hauses entdeckte, blieb Red stehen, als ob er an eine unsichtbare Grenze gestoßen wäre. Seine Gestalt auf vier Beinen wirkte wachsam und in Alarmbereitschaft, während er hinter mir her sah, wie ich auf dem zugewachsenen Trampelpfad zu unserer Hintertür eilte und im Haus verschwand.

26
    Im dunklen und leeren Haus suchte ich als Erstes nach einer Taschenlampe und Kerzen, wobei ich fast über den blutigen Kadaver einer Beutelratte gestolpert wäre. Red hatte Recht gehabt: Die toten Tiere wurden größer. Nachdem ich zwei Kerzen angezündet hatte, wickelte ich die Beutelratte in ein altes Geschirrtuch und warf sie durch die Hintertür in den Garten hinaus. Dann setzte ich mich ins Wohnzimmer, um auf Hunters Rückkehr zu warten.
    Ich hatte meinen Mann betrogen. Ich hatte einen anderen Mann in meinem Mund gehabt. Einen Wolfsmann. Ich hatte gerade erlebt, wie sich ein Mensch in einen Wolf verwandelte. Oder in einen Kojoten. Nein – ich hatte ihn in einen... was auch immer verwandelt.
    Und Jackie wusste davon.
    Ich sehnte mich nach einer langen heißen Dusche. Und nach gedankenlosem Fernsehen. Nach einem guten Buch. Nach irgendeiner Art von Ablenkung. Stattdessen schossen mir unzählige Fragen durch den Kopf: Verlor ich etwa den Verstand? Hatte mir Jackie LSD in die Nudeln mit Käse gemischt? Ich merkte, wie mein Herz raste, und versuchte, nicht in Panik zu geraten. Das waren keine Drogenhalluzinationen. Das war auf einmal mein Leben.

    Was mich zu einer weiteren Frage brachte: Wo war Hunter? Wo war er in einer solchen Nacht ohne Wagen?
    Instinktiv wusste ich, dass er bestimmt nicht nach mir suchte. Er war auf der Suche nach eigenen Abenteuern. Vielleicht im Moondoggie’s? Bei dieser Bedienung? Jetzt hatte ich nicht einmal mehr das Recht, mich darüber aufzuregen. Er konnte sich in diesem Augenblick in ihrem Mund befinden oder seinen Mund zwischen ihren Beinen haben, und es gab im Grunde nichts, was ich dagegen sagen konnte. Schließlich hatte ich mich genauso schuldig gemacht.
    Allerdings vermutete ich, dass er mir noch nie treu gewesen war. Da hatte es nicht nur Magda gegeben. Wenn er mit mir schlief und mich gleichzeitig mit dieser Kellnerin hinterging, dann konnte ich getrost davon ausgehen, dass er noch nie monogam gewesen war. Und dieses Wissen veränderte unsere gemeinsame Vergangenheit grundsätzlich. Es machte meine Erinnerungen an unsere Ehe zunichte oder rückte sie zumindest in ein völlig anderes Licht.
    Wenigstens gab es jetzt einen Mann, der mich begehrte. Vielleicht hatte Red ja Recht. Vielleicht war er wirklich der Bessere für mich.
    Klar. Schließlich stellte ein Mann, der gleichzeitig ein Hund war, den perfekten Gefährten dar. Nein, halt! Das war doch völlig verrückt! Red hatte einfach plötzlich Angst bekommen und war davongelaufen. Und dann hatte ich einen Kojoten gesehen. Ganz einfach. Oder ich litt unter Halluzinationen, weil ich zu wenig geschlafen und einen Adrenalinschock erlitten hatte. Wahrscheinlich durchlief ich momentan einfach nur eine schwierige Phase. Das war alles.
    Red hatte Angst bekommen und war davongelaufen, und
daraufhin war ein Kojote erschienen, der mich nach Hause begleitet hatte. Das ergab zwar nicht viel mehr Sinn, aber zumindest musste ich mich dann nicht morgen früh einliefern lassen. Und außerdem – war dieses Verhalten, in letzter Sekunde Angst zu bekommen und abzuhauen, für viele Männer nicht ganz typisch?
    Als ich im dunklen Haus auf dem Sofa saß und nachdachte, überkam mich ein wahrer Sturzbach an Erinnerungen. Ich sah mich mit neunzehn, noch jung genug, um an magische Verwandlungen zu glauben; noch jung genug, um den Frauenzeitschriften zu glauben, wenn sie behaupteten, dass ein neuer Haarschnitt, ein hübscheres Make-up, weniger Pfunde, dünnere Schenkel und besserer Sex einen Mann wieder interessierter werden ließen. Ich hatte

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