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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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konnte ich den Geruch einer Zigarette riechen.
Wir lehnten uns beide an einen Truck, der die Straße bestimmt schon lange nicht mehr gesehen hatte. Über den Bäumen hing ein strahlender Vollmond.
    »Auch eine?«
    »Nein, danke... halt, warte. Doch, ich hätte auch gern eine. Danke.« Ich hatte seit der Junior-Highschool keine Zigarette mehr geraucht. Wie damals inhalierte ich auch diesmal nicht. Trotzdem hatte es etwas Befriedigendes, etwas in der Hand zu halten, den Rauch ein- und auszuatmen und ihm in der klaren Nachtluft hinterherzusehen.
    »Hast du dich mit deinem Mann gestritten?«, wollte Jackie wissen.
    »Nicht richtig.«
    »Dann bist du wahrscheinlich davongelaufen, ehe es zu einem Streit gekommen ist.«
    Wir betrachteten den Mond. Nach einer Weile begann Jackie zu husten und unterbrach damit die Stille.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich.
    »Ich weiß alles über dich und Red«, erklärte sie plötzlich.
    Ich starrte sie verblüfft an, aber sie blickte weiter in die Nacht hinaus. Die Zigarette zwischen ihren Fingern glühte gelb. »Da gibt es nichts zu wissen«, erwiderte ich ein wenig pikiert.
    Jackie blies eine Rauchwolke in die Luft. »Er will dich. Und du wirst irgendwann mit ihm schlafen, um diesem Kerl, den du geheiratet hast, eins auszuwischen. Und dann wirst du Red wehtun, denn im Grunde ist er nicht dein Typ.« Jackie nahm einen langen Zug. »Wusstest du, dass er eine Art indianischer Schamane ist? Er muss sich bei jedem Insekt dafür entschuldigen, wenn er es tötet, damit dessen Geist nicht wütend auf ihn wird.« Sie betrachtete die Kippe
in ihrer Hand, ließ sie fallen und trat sie aus. »Du hältst das vermutlich für totalen Blödsinn.«
    »Nein, das tu ich nicht. Meine Mutter glaubt auch an... an andere Realitäten.«
    »Red hat nicht mal einen Highschool-Abschluss. Nur einen Abschluss über den zweiten Bildungsweg – so wie ich.«
    Ich seufzte. Die Zigarette in meiner Hand war fast niedergebrannt, ohne dass ich noch einmal daran gezogen hatte. Ich ließ sie fallen und trat sie aus. Am liebsten hätte ich Jackie erklärt, dass ich kein Alien aus New York war, der ausschließlich Designerunterwäsche trug und am liebsten in schräge Avantgardestücke ging. Ich wollte ihr erklären, dass ich mit theoretischen Themen oft wesentlich besser zurechtkam als mit praktischen oder mit Menschen und mich deshalb häufig unsicher fühlte. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie auch das schon wusste. Und trotzdem annahm, dass ich Red verletzen würde.
    Irgendwo hinter uns begann einer der Hybriden zu heulen. Es war ein vollkommener Ton, der sogleich von einem anderen erwidert wurde.
    »Klingt schön«, sagte ich.
    »Ja, ich weiß. Deshalb hab ich sie auch so gerne um mich. Man kann sich natürlich hübschere oder liebere Hunde zulegen. Aber wenn man musikalisch ist, sollte man sich etwas Wildes holen.«
    »Heulen die wirklich den Mond an?«
    »Tun wir das nicht alle einmal im Monat?«
    Ich nicht, dachte ich. Dafür kam meine Periode viel zu unregelmäßig. Ich wäre immer die Wölfin, die aus der Reihe tanzt.

    Wir lauschten, während zwei weitere von Jackies Hybriden in den Gesang einstimmten und so die Nacht von magischen Wolfslauten erfüllt wurde. Ich wünschte mir nur, dass mich das Ganze nicht so sehr an die Filme meiner Mutter erinnert hätte – an Werwölfe, Familienflüche und die hübsche Maid, die sich immer in der Gefahr befand, zerfetzt zu werden. Lieber hätte ich das Konzert der wilden Natur ohne diese Assoziationen genossen, als ein uraltes Frage- und Antwortspiel aus >Ich bin hier. Bist du da?< und der Erwiderung des Chors >Wir sind hier. Wir sind hier.<
    »Ich muss mal«, sagte Jackie.
    »Okay«, murmelte ich.
    Sie verschwand in der Dunkelheit, und ich blieb allein zurück. Also entschloss ich mich, ebenfalls mein Geschäft zu erledigen. Ich suchte mir eine geeignete Stelle und zog meinen langen Rock hoch. Da ich nicht so recht sehen konnte, was ich da tat, wurden meine Schuhe etwas feucht. Toilettenpapier hatte ich natürlich auch nicht dabei. Ich zog mir gerade wieder meinen Slip hoch, als ich ein Geräusch hörte.
    »Einen Moment!«, rief ich. »Ich bin noch nicht fertig!« Ich weiß nicht, warum ich mich vor Jackie so prüde benahm. Vielleicht spürte ich schon, dass es gar nicht Jackie war, die da hinter mir auftauchte.
    Als ich mich umdrehte, entdeckte ich Red, der an einer Birke lehnte. Er sah so aus, als hätte er schon eine ganze Weile dort gestanden. Sein Gesicht

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