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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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und Kekse auf den Tisch stellte.
    »Ich weiß.«
    »Wir könnten unsere heimlichen Ersparnisse hernehmen, um die Operation zu bezahlen und ihr das Leben zu retten. Wir haben das Geld doch noch, oder? Vielleicht kennst du ja auch einen Arzt, der es umsonst machen würde.«
    Marisa griff nach der Fernbedienung und schaltete das Fernsehgerät ein. Sie hatten Satellitenfernsehen – hier oben, meilenweit entfernt von jeglicher Zivilisation, war das die einzige Zerstreuung in der kleinen Ortschaft. Hunderte von Kanälen mit endlosen Wahlmöglichkeiten. Ein Mensch konnte alt und grau werden, bis er alle durchprobiert hatte. Sie fand einen Spielfilm mit Adam Sandler, der Jessica interessieren könnte, und stellte die Suche ein.
    »Mom?«
    »Jess, wie kommst du auf solche Ideen? Roses Mutter kümmert sich um alles.«
    »Gut. Schön. Aber du hast sie nicht gesehen, unten am Kai. Sie war ganz blau angelaufen und bekam keine Luft mehr, und ich wusste nicht, was ich tun sollte, und dieser grässliche Mann mit der künstlichen Hand, der einem Angst einjagen kann, musste ihr helfen!«
    »Aber du hast doch genau das Richtige getan – du bist losgelaufen und hast ihre Mutter geholt. Du hast Ruhe bewahrt.«
    »Schon.« Jessica kaute nachdenklich an ihrem Keks. Dann hielt sie inne und hob den Blick. »So wie damals, als Ted meinen Hund verletzt hat.«
    Auf dem Bildschirm machte Adam Sandler seine ausgelassenen Späße. Überall auf der Welt sahen sich Menschen den Film an und lachten. Aber nicht diese beiden, Mutter und Tochter. Marisa starrte Jessica an und nahm zur Kenntnis, dass sie ›verletzt‹ gesagt hatte, obwohl Ted Tally umgebracht und nicht nur verletzt hatte.
    »Es macht mir nichts aus, dass wir uns verstecken müssen. Hauptsache, er findet uns nicht, und du nimmst ihn nicht wieder bei uns auf. Das weißt du, oder?«
    »Ja, das weiß ich«, sagte Marisa.
    Jessica akzeptierte die Antwort mit einem Kopfnicken, als brave Tochter, die sie war. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit dem Bildschirm zu; Marisa verspürte den Anflug eines schlechten Gewissens, weil sie Jessica praktisch vor einem Adam-Sandler-Film geparkt hatte, um sie von ihren Fragen abzulenken. Sie ging zum Fenster, blickte hinaus, und plötzlich fiel ihr wieder ein, wo die Lehrbücher waren: Sie waren in Kartons verpackt im Lager, zusammen mit fast allen anderen Sachen.
    Durch das Geäst der Bäume sah sie am Fuße des Berges das blaue, glitzernde Wasser der weitläufigen Bucht, umschlossen von zerklüfteten Klippen und Felsbänken aus Granit. Das große weiße Hotel mit dem langgestreckten roten Dach ragte majestätisch über der kleinen Stadt auf – weiter unten waren Lilys Laden und die Walbeobachtungsboote zu erkennen. Sie wusste, dass sie Jessica erlauben würde, an der Bootsfahrt zu Roses Geburtstag teilzunehmen, aber sie selbst musste absagen. Ein Frauenclub könnte zu gefährlich sein. Sie blinzelte, weil die helle Frühsommersonne sie blendete und ihre Augen brannten. Sie war sich sicher, dass dieses Haus in Boston als Immobilie mit einem ›unbezahlbaren Ausblick‹ gehandelt würde. Für Marisa bedeutete es nur, dass es weit, weit weg von zu Hause war.
    Weil ihr die damit verbundenen Empfindungen nicht behagten, klinkte sie sich ins Internet ein, eine Möglichkeit, sich ihrem Zuhause näher zu fühlen. E-Mails, die von ihr bevorzugten Message Boards, wo sich Interessierte über bestimmte Themen austauschen konnten, und ein geheimer Chatroom – das alles war besser als Cocktails am Nachmittag, um den Schmerz zu betäuben und die Stimmung zu heben. Nähe und freundschaftliche Kontakte ohne das Risiko, erkannt zu werden. Doch heute umging sie ihre Favoriten und klickte die Website der Johns-Hopkins-Schwesternschule an, die sie besucht hatte. Sie gab ihren Benutzernamen und ihr Passwort ein, ging unverzüglich zur Rubrik ›Kardiologische Pflege‹ über und begann zu lesen.

Kapitel 4
    H aie, Überfischung und Artenvielfalt«, sagte Gerard Lafarge an Deck der Mar IV, als sich das Schiff den Rammpfählen näherte.
    »Ja, was ist damit?«, gab Liam Neill zurück, der auf dem Kai entlangging.
    »Wir haben offenbar ein echtes Genie in unserer Mitte.«
    »Irgendetwas sagt mir, dass diese Bemerkung alles andere als nett gemeint ist.« Liam grinste und benutzte seine gesunde rechte Hand, um die Bugleine aufzufangen, die Gerard ihm zuwarf, und legte sie um die Klampe auf dem Kai; dann ging er nach achtern, um das Gleiche mit der Heckleine zu tun.
    »Im Ernst.«

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