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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Gerard sprang von seinem Fischerboot hinunter, um die Springleine festzumachen. Nach tagelangem Aufenthalt auf dem Meer war er schmutzig und unrasiert. Das Schiff schaukelte in der sanften Dünung des Hafens. Es roch stark nach Fisch, und Seemöwen stürzten sich in hellen Scharen herab, schrille Schreie ausstoßend. »Glauben Sie etwa, dass solche Artikel gut für uns wären? Wir verdienen unseren Lebensunterhalt mit den Aktivitäten, die Sie beschreiben! Ein Mako bringt eine Menge Geld auf dem Markt. Schmeckt wie Schwertfisch, nur zarter und ohne Quecksilber. Sie bringen unsere ganze Zunft in Verruf.«
    »Erstens bin ich beeindruckt, dass Sie überhaupt einen Blick darauf geworfen haben. Ich wusste gar nicht, dass Sie ozeanographische Fachzeitschriften lesen.« Er hätte auch sagen können, dass Sie überhaupt lesen .
    »Eines können Sie mir glauben, diese Ausgabe macht bei uns Männern die Runde. Sagen wir, Sie haben damit unsere Aufmerksamkeit geweckt.«
    »Und zweitens gehören Makos nicht zu den bedrohten Arten, so dass Sie sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen. Es geht vielmehr darum, an die Zukunft zu denken. Schon jetzt sind die Gewässer überfischt und die Arten dezimiert, was bleibt da noch für Ihre Kinder?«
    »Glauben Sie, ich würde zulassen, dass meine Kinder Fischer werden? Nur über meine Leiche! Ich will nicht, dass sie sich ihr Leben lang abrackern, um am Ende vielleicht noch in einem dieser Winterstürme abzusaufen! Ich habe vor, meine Schäfchen beizeiten ins Trockene zu bringen, alles aus dem Meer herauszuholen, was geht, um die Gören auf eine Universität wie McGill oder Harvard zu schicken, damit sie sich keine nassen Füße holen, sondern an Land bleiben und Marguerite und mich im Alter unterstützen können.«
    »Machen Sie deshalb Jagd auf Delfine?«
    Das Geplänkel fand abrupt ein Ende, der Ausdruck auf Gerards gräulichem Gesicht wurde eiskalt. Sein Blick glitt zum Deck seines Trawlers, wo die Mannschaft gerade damit begann, den Fang auf Eis zu legen. Liam starrte die abgehackte Rückenflosse an, die auf einem Haufen Fischabfälle lag.
    »Was wissen Sie denn schon, Neill«, brach es aus Gerard heraus. »Nehmen Sie sich ein Beispiel am Rest Ihrer Familie, die einem ehrenhaften Tagwerk auf dem Wasser nachgeht, während Sie sich anmaßen, über uns alle zu Gericht zu sitzen. Ich habe gehört, was Sie zu Ihrem Cousin gesagt haben. Sie wollen ihn daran hindern, mit den Booten Touristen zum Walbeobachten rauszufahren, genau wie Sie mir Knüppel zwischen die Beine werfen wollen.«
    »Davon kann keine Rede sein.« Liam setzte seinen Weg am Kai fort, wo er seinem Cousin Jude Neill in die Arme lief. Jude hatte sein Zodiac-Flachbodenboot mit dem Schlauch abgespritzt, eines der kleineren Walbeobachtungsboote in der familieneigenen Flotte. Er hielt inne, hatte den Schlagabtausch zwischen Liam und Gerard offensichtlich mitbekommen.
    »Aber du würdest gerne«, warf Jude lächelnd ein.
    »Würdest gerne was?«, fragte Liam.
    »Den Walbeobachtungstouren einen Riegel vorschieben.«
    »Willst du dich jetzt auch noch mit mir anlegen?«
    »Jemand muss dich ja in Schach halten.«
    Die Cousins maßen sich mit funkelnden Blicken, dann grinsten beide. Jude trat einen Schritt beiseite, damit Liam an Bord gehen konnte. Wasser aus dem Schlauch spritzte auf seine Stiefel. Es war ein sonniger Tag, doch in der Ferne zog in Windeseile eine dunkle Nebelwand herauf.
    »Heute was gesichtet?«
    »Fünf Finnwale, mehrere Zwergwale und jede Menge Delfine. Die Gäste waren glücklich.«
    »Dieser hirnlose Lafarge hatte die Rückenflosse eines Delfins an Deck seines Trawlers. Hat nicht einmal versucht, sie zu verbergen, als ich vorbeiging.«
    »Ich bin sicher, dass er es nicht darauf angelegt hat, einen zu erwischen. Er betreibt Langleinenfischerei, da kann man sich nicht aussuchen, was einem ins Netz geht. Was sollte er denn machen, das Fleisch verrotten lassen?«
    »Die Langleinenfischerei lassen.«
    »Waffenstillstand, einverstanden, Cousin? Ich bin auf deiner Seite, was diesen Punkt betrifft. Touristen lieben Delfine – sie sind ein Gewinn für unser Familienunternehmen. Du rennst also offene Türen ein. Aber bitte verschone mich damit, mich über das Artenschutzgesetz für Meeressäuger zu belehren und mir vorzuschreiben, dass ich gebührenden Abstand zu den possierlichen Luftatmern halten soll. Ich sitze zwischen zwei Stühlen: Einerseits muss ich mir von dir und den Patrouillenbooten der Küstenwache die

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