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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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kommen Sie mit.«
    Lily eilte an ihr vorbei durch die Doppeltür, die sich hinter ihnen schloss. Liam stand mit zugeschnürter Kehle in dem grünen Wartezimmer. Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, Zutritt zur Intensivstation zu erhalten. Redete er sich zumindest ein.
    Er stellte sich ans Fenster und betrachtete das Monument. Es war hoch und schmal, elliptisch geformt, mit tief eingekerbten Rillen, oben in einer Spitze auslaufend. Als Dreijähriger war es ihm wuchtig und abweisend erschienen. So wirkte es noch heute auf ihn. Ein Denkmal für alle, die ihrem Vaterland gedient und dabei den Tod gefunden hatten. Er sah sich selbst und seinen Vater im Schatten des Kriegerdenkmals stehen, spürte wieder die Trauer des Dreijährigen um den Urgroßvater, den er nie kennengelernt hatte.
    Zwei Ärzte traten in weißen Kitteln über der grünen OP-Kleidung aus dem Fahrstuhl. Sie drückten auf den Summer und wurden umgehend eingelassen. Liam hatte ein flaues Gefühl im Magen; er fragte sich, ob sie gekommen waren, um Rose zu untersuchen und mit Lily zu sprechen.
    Als er sich wieder dem Fenster zuwandte, entdeckte er belaubte Bäume und ein Beet mit Ringelblumen am Fuß des Denkmals. Es war Sommer. Der Schatten des Monuments wurde länger, genau wie der Tag. Er warf einen Blick auf seine Uhr – schon sieben Uhr abends – und dachte an einen anderen Teil der Geschichte seines Urgroßvaters, der die Hinterbliebenen betraf, die Familie. Wie sie gewartet hatte und dass seine Urgroßmutter nicht gewusst hatte, ob ihr Mann jemals nach Hause zurückkehren würde.
    Er dachte an Lily, die in der Kinder-Intensivstation darauf wartete, zu erfahren, wie es mit Rose weitergehen sollte. Manchmal war Warten das Schlimmste, was einem Menschen widerfahren konnte.

    Die Krankenschwester, ihr Name war Bonnie McBeth, ging Lily voran. Auf der Intensivstation befanden sich Kinder sämtlicher Altersstufen, an alle nur erdenklichen Geräte angeschlossen, aber Lily hatte nur Augen für das kleine Mädchen im zweiten Bett links: Rose.
    Ihr Anblick versetzte ihr einen Stich, mitten ins Herz. Noch bevor sie ihr Gesicht sah, wusste sie, dass es Rose war, die in dem Bett lag: die Umrisse ihres Körpers unter der weißen Steppdecke, die seltsame Art, wie sie sich mit der rechten Hand am Schutzgitter festhielt. Auch jetzt umklammerten ihre Finger die Gitterstäbe. Lily trat um den Vorhang herum, der die Patienten voneinander trennte, und beugte sich hinunter, um Rose einen Kuss zu geben.
    »Mommy.«
    »Hallo, Schatz.«
    Der Blick aus den grünen Augen wirkte klar, als sie Lily ansah; sie schien jede Einzelheit aufzunehmen, sich zu vergewissern, dass ihre Mutter wirklich da war. Doch dann flatterten ihre Lider, sie verdrehte die Augen, um nochmals scharf hinzusehen, bevor sie ihr endgültig zufielen. Lily wusste, dass man ihr Morphium verabreicht hatte. Sie umklammerte Roses Hand ein wenig fester.
    Die Geräte klickten beruhigend. Sie hing am Tropf. Lily begutachtete Roses Arm, um sich zu vergewissern, dass beim Einführen der Kanüle keine Blutergüsse entstanden waren. Ihre Venen waren teilweise dünn und brüchig, doch da die letzte Infusion eine Weile zurücklag, hatten sie Zeit gehabt, sich zu erholen. Sie konnte weder blaue Flecke noch Anzeichen für eine ungeschickte Handhabung der Infusionsnadel finden. Sie war einmal vor Zorn in die Luft gegangen, war völlig ausgerastet, als eine MTA vier Versuche hintereinander machte, ohne eine Vene bei Rose zu finden.
    Während Rose schlief und Lily ihre Hand hielt, hatte sich Bonnie McBeth in der Nähe aufgehalten. Lily warf ihr einen verstohlenen Blick zu. Sie kannte Bonnie vom Sehen, von anderen Besuchen, aber sie war noch nie für Roses Betreuung zuständig gewesen. Der Kardiologe, der Rose behandelte, befand sich in Boston, so dass Melbourne nur für Notfälle gedacht war – von denen es in letzter Zeit zum Glück nicht viele gegeben hatte.
    »Es geht ihr gut«, versicherte Bonnie ihr mit leiser Stimme. »Wir haben ihr Morphium gegeben, damit sie sich beruhigt. Bei ihrer Ankunft war sie völlig aufgelöst.«
    »Vielen Dank. Sie wurde im Rettungshubschrauber hergebracht.«
    »Kein Wunder, dass sie ganz aus dem Häuschen war; das wäre wohl jeder gewesen.« Bonnie lächelte.
    Lily nickte, immer noch Roses Hand haltend.
    »Würden Sie bitte einen Moment mitkommen, zum Schreibtisch, wo wir ungestört reden können? Ich weiß, es hat den Anschein, als würde sie fest schlafen, aber …«
    Lily zögerte,

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