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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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starrte sie an. Sie dachte an all das Elend, das sie in ihrem Leben gesehen hatte. Verletzungen, Krankheiten, Gebrechen, Gewalttaten. Obwohl sie Jessica religiös erzogen hatte, war ihr eigener Glaube schon vor längerer Zeit mehr und mehr ins Wanken geraten. Er hatte am Ende ihrer Ehe mit Ted seinen endgültigen Tiefpunkt erreicht. »Ich glaube, hilf meinem Unglauben«, hatte einst ihr Gebet aus dem Markus-Evangelium gelautet. Nun glaubte sie nur noch an die Wissenschaft.
    »Gottes Wege sind unergründlich«, sagte Marlena abermals. »Aber in diesem Punkt stimme ich mit Jessica überein. Ich glaube nicht, dass er Rose oder einen von uns leiden lassen will. Ich werde das Thema bei der nächsten Vollversammlung der Nanouks zur Sprache bringen. Wir könnten es in unsere Satzung aufnehmen.«
    »Gute Idee«, stimmte Cindy ihr lachend zu. »Wir, die Nanouks aus dem Frostigen Norden, erklären hiermit, dass der HERR aus dem Schneider ist, was Schmerz und Leid betrifft.«
    »So weit würde ich nicht gehen«, meinte Marlena abwehrend. »Ich denke nur, dass dabei keine Absicht im Spiel ist.«
    »Was duftet hier eigentlich so gut?«, fragte Cindy mit gerunzelter Stirn, das Thema wechselnd. »Es riecht wie in den North Woods.«
    »Das sind die Kiefernnadeln«, antwortete Jessica.
    »Wofür sind die?«
    »Um Geld für Roses Behandlung zu sammeln.«
    »Der Himmel weiß, wie gut Lily dabei finanzielle Unterstützung gebrauchen kann«, sagte Marlena. »Aber Kiefernnadeln? Wie sollen die dazu beitragen?«
    »Ich möchte Cape-Hawk-Kiefernnadelkissen machen und verkaufen.«
    Marisa hielt sich zurück, ließ Jessica ihr Vorhaben selbst erläutern. Es war ausschließlich ihre Idee gewesen, die Materialien im In Stitches zu kaufen – sie wussten, dass der Laden auch während Lilys Abwesenheit geöffnet hatte, die Nanouks übernahmen abwechselnd den Dienst.
    »Und wem willst du sie verkaufen?«
    »Den Touristen, die an Bord der Walbeobachtungsboote gehen.«
    »Kiefernnadelkissen«, sagte Cindy nachdenklich.
    Jessica nickte. »Sie riechen wie Cape Hawk. Und nach allem, was der Ort Besonderes zu bieten hat – Wälder, Kiefern, Vögel, Wale … Ich habe mir gedacht, dass ich kleine Bilder sticke, von Nanny, von den Eulen im Wald hinter unserem Haus oder von den Falken auf den Felsbänken – direkt in den Stoff hinein, und dazu die Worte ›Cape Hawk‹, oder ›Gute Besserung, Rose‹.«
    »Stickst du viel?«, erkundigte sich Marlena.
    »Ich habe es noch nie versucht«, erwiderte Jessica selbstbewusst, das Kinn vorgeschoben. Für sie war das zweifellos kein Nachteil – nur eine weitere Herausforderung, die es zu meistern galt. Marisa beobachtete Marlena und Cindy, wartete gespannt auf ihre Reaktionen. Doch die beiden zuckten mit keiner Wimper. Sie hatten offenbar keine Ahnung, wie entschlossen Jessica sein konnte, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, und was für ein großes Herz sie besaß.
    »Es könnte geraume Zeit dauern, bis du es gelernt hast«, gab Cindy zu bedenken.
    »Und noch länger, den Stoff zu besticken. Und die Kissen anschließend zusammenzunähen und zu füllen«, meinte Marlena.
    Marisas Augen füllten sich mit Tränen. Sie sah, wie Jessica ihren großen Beutel mit den klebrigen Kiefernnadeln umklammerte, die Finger geschwärzt vom Harz. Sie konnte sich ausrechnen, wie viele Stunden ihre Tochter fleißig sticken musste. Doch Jessica stand kerzengerade da, unbeirrt durch Marlenas und Cindys Vorbehalte. Ihre Liebe zu Rose war groß, hielt solchen Anfechtungen stand. Plötzlich fiel Marisa etwas ein: Nach Pauls Tod hatte sie seinen Kleiderschrank geöffnet, hatte irgendetwas gesucht – keine Ahnung, was.
    Sie hatte eine Ausbuchtung mitten unter seinen Anzügen entdeckt. Und Jessicas dünne Beine, die unten herausschauten. Sie war zwischen den Anzügen ihres Vaters gestanden, den sie unsäglich geliebt hatte, und an diesem Ort hatte sie sich ihm nahe gefühlt. Für das Kissenprojekt gab es mit Sicherheit einen ähnlichen Beweggrund – sie wollte sich Rose nahe fühlen.
    »Ich bringe ihr das Sticken bei«, sagte Marisa.
    »Danke, Mom.«
    »Ich auch. Ich erteile übrigens Stickunterricht an der Highschool. Dich unterrichte ich umsonst.«
    »Und ich setze noch eins drauf«, ließ sich Cindy vernehmen. »Ich werde dir höchstpersönlich helfen, die Kissen zu besticken! Und ich wette, die anderen Nanouks machen ebenfalls mit. Ich rufe Anne und Doreen an, und du setzt dich mit Suzanne und Alison in

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