Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)
Vorgang ja«, sagte Viola.
»Gibt es einen Namen?«
»Leider nein, was es mir leichter macht, Ihnen etwas abzuschlagen. Es gibt nur einen Vermerk, in dem ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass der Spender ungenannt bleiben wollte – genau wie Sie sagten.«
»Es muss doch irgendwo Unterlagen darüber geben, von wem das Geschenk stammt. Selbst wenn Sie es mir nicht verraten dürfen.«
Viola schüttelte den Kopf, den Blick auf den Bildschirm gerichtet. »Es gibt nichts dergleichen. Außer einer persönlichen Notiz, nur für mich selbst: Der Spender wollte sicher sein, dass wir noch Belugas in unserem Aquarium haben – ich denke, es ist nichts dabei, wenn ich Ihnen das erzähle.«
»Beluga? Ist das nicht eine Kaviarsorte?«
»Officer a.D., Beluga ist außerdem der Name einer Walart, eine der wenigen, die in Gefangenschaft überleben. Wir haben seit mehreren Jahren Belugawale in unserem Aqua-Zoo. Einige unserer inzwischen erwachsenen Besucher erinnern sich noch heute daran, wie aufregend es war, sich zum ersten Mal einem Wal gegenüberzusehen – hier in unseren Bassins. Bei uns findet eine Vorführung statt, mit zwei absoluten Stars, Snowblind und Snowflake, sie beginnt in rund fünfzehn Minuten. Vielleicht haben Sie ja Lust, hinzugehen …«
»Snowblind und Snowflake?«
»Ja, Belugas sind schneeweiß.«
»Aha.«
Patrick überlegte. Vielleicht hatte Maeve eine Vorliebe für Wale, insbesondere Belugas. Oder sie hatte mit Mara Wale angeschaut, als sie klein war. Möglich, dass einer ihrer ehemaligen Schüler ihr eine Freude machen wollte. Oder seine Phantasie ging mit ihm durch, und das Geschenk stammte von ihrem Versicherungsagenten, Gemüsehändler oder ausgeflippten Automechaniker.
»Wie hat der Spender bezahlt? Haben Sie eine Kreditkartennummer in Ihrer Datei vermerkt?«
»Die Bezahlung erfolgte bar – per Post. Das Umtauschverhältnis stimmte nicht ganz, wie aus meiner Notiz hervorgeht. Der Betrag war zu hoch, wie ich feststellen musste, als ich den Kurs nachschlug.«
»Was für ein Kurs?«
»Der Wechselkurs – zwischen kanadischen Dollar und US-Dollar. Die Bezahlung erfolgte in kanadischer Währung.«
»Haben Sie vielleicht zufällig den Briefumschlag aufbewahrt?«
Viola schüttelte lächelnd den Kopf. »Tut mir leid. Ich konnte ja nicht ahnen, dass wir polizeiliche Ermittlungen auslösen, wenn wir ein Geschenk weiterleiten.«
Patrick erwiderte ihr Lächeln. Er hatte einen Moment lang den Eindruck, als flirte sie mit ihm. Aber sie trug einen Ehering und hatte Familie, wie die Fotos bewiesen. Er war inzwischen dermaßen aus der Übung, dass ihm der Unterschied zwischen scherzen und flirten entging. Er war offenbar ein hoffnungsloser Fall, wie Sandra ihm oft genug vorgehalten hatte – in vielen Bereichen.
»Hören Sie, wie wäre es mit einer Freikarte für die Delfinschau als Trostpflaster?«
»Delfine?«
»Ja, und Snowflake und Snowblind treten ebenfalls auf. Auf diese Weise können Sie sich die Belugas selbst anschauen und Mrs. Jameson berichten, dass sie einen Besuch wert sind.«
Patrick bedankte sich, drückte ihr zum Abschied die dargebotene Hand und nahm die Eintrittskarte an. Wer hatte Maeve die Mitgliedschaft zukommen lassen und was hatten Belugawale mit der Sache zu tun?
Er bahnte sich den Weg zu dem Delfinarium, in dem die Vorführungen stattfanden, und nahm seinen Platz inmitten einer Besucherschar aus Brooklyn ein. Sie gehörten zu den Touristen, die eine Pauschalreise per Bus gebucht hatten, und dem Gespräch seiner beiden Sitznachbarinnen entnahm er, dass die Besichtigung von Seaport, dem Aquarium und eine Dinnershow im Casino darin enthalten waren. Die eine Frau war geschieden, die andere verwitwet. Die Witwe erzählte, dass ihre Enkelkinder Delfinvorführungen liebten.
Patrick musterte mit zusammengekniffenen Augen das Becken. Er dachte an Maeve, die ihre Enkelin vermisste und ihr Urenkelkind nie kennengelernt hatte. Wieso saß er überhaupt hier? Meistens war er zu fünfundneunzig Prozent davon überzeugt, dass Edward Hunter Mara umgebracht und ihre Leiche irgendwo unauffindbar versteckt oder verscharrt hatte. Doch die restlichen fünf Prozent fielen so stark ins Gewicht, dass sie ihn dazu bewogen, den verrücktesten Spuren nachzugehen, selbst wenn sie in einen Aqua-Zoo führten.
Ein Meeresbiologe nahm seinen Platz hoch droben auf einer Plattform ein. Den Auftakt der Vorführung bestritten Große Tümmler und Atlantische Delfine; dann kamen weitere Delfine
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