Wolken über Ebou
dann Faolain und Theodrin. »Ihr müßt Treue schwören.« Sie hatten sie stirnrunzelnd angesehen und sich gefragt worauf sie hinauswollte, aber woran auch immer sie gedacht hatten - Egwene hatte sie überrascht. Ihre Gesichter waren sehenswert. Nisaos Kinn sank herab, und Myrelle schaute drein, als habe man ihr mit einem Hammer vor den Kopf geschlagen. Sogar Siuan keuchte ungläubig.
»Unm-möglich«, brachte Myrelle stotternd hervor. »Keine Schwester hat jemals...! Keine Amyrlin hat bisher verlangt...! Ihr könnt doch nicht wirklich glauben...!«
»Oh, seid still, Myrelle«, fauchte Nisao,'»Das alles ist Euer Fehler! Ich hätte niemals auf Euch hören sollen...! Nun, geschehen ist geschehen, daran ist nichts mehr zu ändern.« Sie spähte unter gesenkten Lidern zu Egwene und sagte leise: »Ihr seid eine gefährliche junge Frau, Mutter. Eine sehr gefährliche Frau. Ihr könntet die Burg noch stärker spalten, als sie es bereits ist, bevor Ihr fertig seid. Wenn ich dessen sicher wäre und ich den Mut hätte, meine Pflicht zu tun und mich dem zu stellen, was auch immer kommt...« Aber sie kniete sich mit einer geschmeidigen Bewegung hin und preßte ihre Lippen auf den Großen Schlangenring an Egwenes Finger. »Unter dem Licht und bei meiner Hoffnung auf Wiedergeburt und Rettung...« Es war nicht der gleiche Wortlaut wie bei Faolain und Theodrin, aber die Worte waren genauso aussagekräftig. Noch aussagekräftiger. Keine Aes Sedai konnte einen Schwur bei den Drei Eiden leisten, den sie nicht ernst meinte. Außer der Schwarzen Ajah natürlich. Es schien offensichtlich, daß sie eine Möglichkeit zu lügen gefunden haben mußten. Ob eine dieser Frauen eine Schwarze war, wäre jedoch ein später zu behandelndes Problem. Siuan, deren Augen hervorgetreten waren und deren Mund sich unaufhörlich bewegte, wirkte wie ein auf einer Sandbank gestrandeter Fisch.
Myrelle versuchte erneut, Einspruch zu erheben, aber Egwene streckte einfach ihre rechte Hand mit dem Ring aus, und Myrelle beugte ruckartig die Knie. Sie sprach mit verbitterter Stimme den Eid und schaute dann auf. »Ihr habt getan, was niemals zuvor getan worden ist, Mutter. Das ist stets gefährlich.«
»Es wird nicht das letzte Mal sein«, belehrte Egwene sie. »Tatsächlich lautet mein erster Befehl für Euch, niemandem zu erzählen, daß Siuan alles andere ist, als jedermann glaubt. Mein zweiter lautet, daß ihr jedem Befehl gehorchen werdet, den sie Euch gibt, als käme er von mir.«
Sie wandten die Köpfe mit gelassenen Gesichtern zu Siuan. »Wie Ihr befehlt, Mutter«, murmelten sie gleichzeitig. Es war Siuan, die einer Ohnmacht nahe schien.
Sie blickte noch immer ins Leere, als sie die Straße erreichten und ihre Pferde ostwärts auf das Aes-Sedai-Lager und das Heer zu wandten. Die Sonne befand sich noch auf ihrem Aufstieg zum Zenit, den sie jetzt beinahe erreicht hatte. Es war ein ebenso ereignisreicher Vormittag gewesen wie an den meisten Tagen. Und wie in den meisten Wochen. Egwene ließ Daishar im Paßgang gehen.
»Myrelle hatte recht«, murmelte Siuan schließlich. Da ihre Reiterin in Gedanken woanders war, bewegte sich die Stute geschmeidig voran. Tatsächlich ließ sie Siuan wie eine erfahrene Reiterin wirken. »Treue. Niemand hat das jemals getan. Niemand. Es gibt auch in den geheimen Geschichtsbüchern nicht den kleinsten Hinweis darauf. Und daß sie mir gehorchen sollen... Ihr ändert nicht nur wenige Dinge, sondern baut das Boot um, während Ihr durch einen Sturm segelt! Alles ändert sich. Und Nicola! Zu meiner Zeit hätte sich eine Novizin eher die Zunge abgebissen, als daran zu denken, eine Schwester zu erpressen!«
»Es war nicht ihr erster Versuch«, belehrte Egwene sie und erzählte ihr die Fakten mit so wenigen Worten wie möglich.
Sie hatte erwartet, daß Siuan vor Zorn über das Paar explodieren würde, aber statt dessen sagte die Frau recht gefaßt: »Ich fürchte, unsere beiden abenteuerlustigen Mädchen werden Unfälle erleiden.«
»Nein!« Egwene verhielt ihr Pferd so plötzlich, daß Siuans Stute noch ein Dutzend Schritte im Paßgang weiterlief, bevor sie das Tier unter Kontrolle bringen und umwenden konnte, wobei sie unentwegt leise Verwünschungen murmelte. Dann saß sie da und gönnte Egwene einen geduldigen Blick, der Lelaine auf schlimmste Art übertraf.
»Mutter, sie werden Euch steinigen, wenn sie jemals klug genug sind, dies zu Ende zu denken. Selbst wenn der Saal Euch nicht zu einer Strafe zwingt, könntet Ihr alle
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