Wolken über Ebou
Romanda und Lelaine sagen mußte, daß sie nicht die Absicht hatte, diese Verordnungen zu erlassen. Aber es gab auch heute noch etwas zu beachten - ein Grund mehr, wach zu bleiben. »Das wird schön werden«, murmelte sie und meinte damit mehr als nur die versprochene Massage. Sie hatte vor langer Zeit gelobt, daß sie Sheriam eines Tages gefügig machen würde, und heute war dieser Tag. Sie begann letztendlich, die Amyrlin zu sein, Kontrolle auszuüben. »Sehr schön.«
KAPITEL 4
Die Schale der Winde
Aviendha hätte sich gern auf den Boden gesetzt aber die drei anderen Frauen, die den wenigen Platz im Boot belegten, ließen ihr nicht genug Raum, so daß sie sich damit zufriedengeben mußte, ihre Beine auf einer der entlang den Wänden aufgestellten Holzbänke zu kreuzen. Die Tür war geschlossen, und es gab keine Fenster, nur phantasievolle, geschnitzte Schneckenornamente, die wie Oberlichter wirkten. Sie konnte das Wasser draußen nicht sehen, aber die Bohrungen ließen den Salzgeruch, das Schlagen der Wellen gegen den Schiffsrumpf und Wasserspritzer von den Rudern herein. Selbst die schrillen Schreie irgendwelcher Vögel hallten über das weite Wasser hinweg. Sie hatte Männer in Teichen sterben sehen, die sie hätten überschreiten können, aber diese Gewässer waren unvorstellbar beängstigend. Darüber zu lesen, war nicht dasselbe, wie es zu erleben. Und der Fluß war an der Stelle, an der sie an Bord dieses Schiffes mit seinen beiden, ihnen auf seltsame Art lüsterne Blicke zuwerfenden Ruderern gegangen waren, mindestens eine halbe Meile breit. Eine halbe Meile Wasser und kein Tropfen davon zum Trinken geeignet. Wer konnte sich vorstellen, daß Wasser nutzlos war?
Die Bewegungen des Schiffes hatten sich verändert, es schaukelte jetzt vor und zurück. Hatten sie den Fluß schon verlassen, bereits die sogenannte Bucht erreicht? Elayne hatte gesagt, diese sei noch weiter, noch breiter. Aviendha verschränkte die Hände um die Knie und versuchte verzweifelt, an etwas Erfreulicheres zu denken. Wenn die anderen ihre Angst sahen, würde sie sich bis ans Ende ihres Lebens schämen müssen. Und das schlimmste daran war, daß sie diese Fahrt vorgeschlagen hatte, nachdem sie Elayne und Nynaeve vom Meervolk hatte sprechen hören. Wie hatte sie wissen können, wie es sein würde?
Die blaue Seide ihres Gewands fühlte sich unglaublich weich an, und daran hielt sie sich fest. Sie war kaum an Röcke gewöhnt - sie sehnte sich noch immer nach dem Cadin'sor, den zu verbrennen die Weisen Frauen sie gezwungen hatten, als sie mit der Ausbildung begann - und hier trug sie ein Seidengewand, von denen sie inzwischen vier besaß, und Seidenstrümpfe anstatt derben Stoffs, und ein seidenes Nachthemd, das sie ihre Haut auf eine Art spüren ließ, wie sie sie niemals zuvor empfunden hatte. Sie konnte die Schönheit des Gewands nicht leugnen, gleichgültig, wie seltsam es ihr erschien, solche Dinge zu tragen, aber Seide war kostbar und rar. Eine Frau mochte einen Schal aus Seide besitzen, den sie an Festtagen trug und um den andere sie beneideten. Nur wenige Frauen besaßen zwei solche Schals. Aber unter diesen Feuchtländern war es anders. Nicht jedermann trug Seide, aber manchmal schien es ihr, als würde jeder zweite es tun. Große Bündel und sogar Ballen Seide kamen mit Schiffen aus den Ländern jenseits des Dreifaltigen Landes. Mit Schiffen! Über das Meer! Wasser, das sich bis zum Horizont erstreckte, und Schiffsreisen, bei denen man, wenn sie es richtig verstanden hatte, tagelang überhaupt kein Land mehr sehen konnte. Bei diesem unglaublichen Gedanken erschauderte sie beinahe.
Niemand der anderen schien sich unterhalten zu wollen. Elayne drehte abwesend den Großen Schlangenring an ihrem Finger und blickte ins Leere. Häufig überkamen sie Sorgen. Sie hatte zwei Pflichten auferlegt bekommen, und obwohl ihr die eine mehr am Herzen lag als die andere, hatte sie sich für diejenige entschieden, die ihr wichtiger und ehrenvoller erschien. Sie hatte das Recht und die Pflicht die Herrscherin - die Königin - Andors zu werden, aber sie hatte sich entschieden, weiterhin zu jagen. Das war in gewisser Weise, wie wichtig ihre Suche auch war, als hätte sie etwas über den Clan oder die Gemeinschaft gestellt, aber Aviendha empfand dennoch Stolz. Elayne hegte über den Begriff Ehre manchmal genauso eigensinnige Ansichten wie über die Vorstellung einer Frau als Herrscherin oder die Tatsache, daß sie Herrscherin wurde, nur weil ihre
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