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Wolken über Ebou

Wolken über Ebou

Titel: Wolken über Ebou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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langsam auf den Boden zu ihren Füßen. »Habt Ihr schon welche gehört?«
    Dashiva lachte heiser und mit bebenden Schultern auf. Narishma benetzte seine Lippen. Er hatte vorher vielleicht keine Angst vor der Frau gehabt, aber jetzt beobachtete er sie wie einen Skorpion.
    »Ich werde die Fragen stellen«, sagte Rand entschlossen. »Ihr scheint zu vergessen, daß ich der Wiedergeborene Drache bin.« Du bist real, nicht wahr? fragte er. Es erfolgte keine Antwort. Lews Therin? Manchmal antwortete der Mann nicht, aber Aes Sedai zogen ihn stets an. Lews Therin ? Er war nicht wahnsinnig. Die Stimme war real, keine Einbildung. Kein Wahnsinn. Das plötzliche Bedürfnis zu lachen half auch nicht.
    Cadsuane seufzte. »Ihr seid ein junger Mann, der wenig Ahnung davon hat, wohin sein Weg ihn führt und warum, oder was vor ihm liegt. Ihr scheint überreizt. Vielleicht können wir miteinander sprechen, wenn Ihr ruhiger seid. Habt Ihr irgendwelche Einwände dagegen, daß ich Merana und Annoura eine Weile mitnehme? Ich habe beide länger nicht gesehen.«
    Rand starrte sie an. Sie rauschte hier herein, beleidigte ihn, drohte ihm, verkündete beiläufig, daß sie von der Stimme in seinem Kopf wußte, und wollte jetzt gehen und mit Merana und Annoura plaudern? Ist sie wahnsinnig? Lews Therin antwortete noch immer nicht. Der Mann war real Er war es!
    »Geht«, sagte er. »Geht, und...« Er war nicht wahnsinnig. »Ihr alle, geht! Hinaus!«
    Dashiva sah ihn blinzelnd an, neigte den Kopf, zuckte dann die Achseln und ging auf die Tür zu. Cadsuane lächelte auf eine Art, daß er halbwegs erwartete, sie würde ihn erneut einen guten Jungen nennen, nahm aber dann nur Merana und Annoura und schob sie auf die Töchter des Speers zu, die gerade ihre Schleier senkten und besorgt die Stirn runzelten. Narishma sah ihn auch zögernd an, bis Rand eine scharfe Geste vollführte. Schließlich waren sie alle fort, und er war allein. Allein.
    Er schleuderte das Drachenszepter von sich. Die Speerspitze blieb zitternd in der Rückenlehne eines der Sessel stecken, und die Quasten schwangen.
    »Ich bin nicht wahnsinnig«, sagte er in den leeren Raum. Lews Therin hatte ihm einiges gesagt. Er wäre Galinas Kiste ohne die Stimme des toten Mannes niemals entronnen. Aber er hatte die Macht schon benutzt, bevor er die Stimme jemals gehört hatte. Er hatte herausgefunden, wie man Blitze heraufbeschwor und Feuer schleuderte und ein Gebilde errichtete, das Hunderte von Trollocs getötet hatte. Aber andererseits war das vielleicht Lews Therin gewesen, wie jene Erinnerungen daran, in einem Obstgarten auf Bäume zu klettern, in den Saal der Diener einzutreten und ein Dutzend weitere Erinnerungen, die unvermittelt auf ihn eindrangen. Und vielleicht waren diese Erinnerungen alle Einbildung, wahnsinnige Träume eines irrwitzigen Geistes, genau wie die Stimme.
    Er merkte, daß er auf und ab schritt, und doch konnte er nicht damit aufhören. Er hatte das Gefühl, sich bewegen zu müssen, weil seine Muskeln sonst krampfartig reißen würden. »Ich bin nicht wahnsinnig«, keuchte er. Noch nicht. »Ich bin nicht...« Das Geräusch der sich öffnenden Tür ließ ihn in der Hoffnung auf Min herumfahren.
    Es war erneut Riallin, die eine kleine, stämmige Frau in einem dunkelblauen Gewand, überwiegend grauem Haar und einem derben Gesicht hereinführte. Ein verhärmtes Gesicht mit geröteten Augen. Er wollte ihnen sagen, sie sollten gehen, ihn allein lassen. Allein. War er allein? War Lews Therin ein Traum?
    Wenn sie ihn nur allein lassen würden... Idrien Tarsin war die Vorsitzende der Schule, die er hier in Cairhien gegründet hatte, eine so praktisch veranlagte Frau, daß er sich nicht sicher war, ob sie an die Eine Macht glaubte, da sie sie weder sehen noch berühren konnte. Was hatte sie auf diesen Zustand zurückführen können?
    Er zwang sich, sich zu ihr umzuwenden. Wahnsinnig oder nicht, allein oder nicht - niemand sonst konnte tun, was getan werden mußte. Nicht einmal diese kleine Pflicht, die schwerer als ein Berg wog. »Was gibt es?« fragte er und hielt seine Stimme so freundlich wie möglich.
    Idrien weinte plötzlich, stolperte auf ihn zu und brach an seiner Brust zusammen. Als sie sich ausreichend weit gefaßt hatte, um ihre Geschichte erzählen zu können, war auch er den Tränen nahe.

KAPITEL 10
    Diamanten und Sterne
    Merana folgte so dicht auf Cadsuanes Fersen, wie sie es wagte, mit hundert Fragen auf der Zunge, aber Cadsuane war nicht die Frau, die man am

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