Wolkenfern (German Edition)
verschließbaren Maske auszuprobieren, die sie später um die Gesichter von Geschäftsleuten, Ärzten und Professoren schließen würde. Amber-Kirke drängte sie immer wieder, doch länger zu bleiben, und als die beiden keine Arbeit mehr hatten, bot sie sogar an, ihnen einen Job im SM -Club zu besorgen, vom Typ passten beide, meinte sie. Sag mal: Du Schwein, sag es so, dass er sich wirklich wie ein Schwein fühlt und grunzen will! Bei jedem Versuch, eine Domina darzustellen, sah Dominika plötzlich das Gesicht ihrer Mutter vor sich, in diesem typischen Ausdruck von erstauntem Missfallen zu einem Hühnerpürzel verzerrt. Dann überkam sie ein Lachanfall, und sie lachte wie seit jener Zeit nicht mehr, als sie sich mit dem kleinen Wałbrzycher Griechen Methoden ausdachte, die Lehrerin Helena Demon zu beseitigen. Zeit aufzubrechen!, sagte Sara eines Abends, oder vielleicht war es auch Dominika. Sie umarmten Amber-Kirke zum Abschied, wünschten ihr viel Erfolg und machten sich wieder auf Wanderschaft.
Sara erwog, in die Staaten zurückzukehren, aber Dominika besaß immer noch nicht die erforderlichen Papiere und hatte keine Chancen, ein Visum zu bekommen. Ähnlich wie ihre Mutter zögerte sie, ihre amerikanische Familie zu treffen, die Kinder ihres Großvaters Ignacy Goldbaum, denn Dominika wusste, dass deren Geschichte zum großen Teil eine ganz andere war als ihre. Meine amerikanische Familie, seufzte sie unsicher, während Jadzia mit mehr Sicherheit und größerem Unwillen von »diesen Juden aus Amerika« sprach. Lass dir bloß nicht den Kopf von diesen Juden aus Amerika verdrehen!, warnte sie ihre Tochter. Jadzia wollte sich nicht mit Ignacys Söhnen treffen, die nach Zalesie gekommen waren, um zu holen, was von ihrem Vater nach dem Brand von Zofias Haus übriggeblieben war, und sie lehnte einen Besuch von ihnen in Wałbrzych ab. Die haben mir schon genug Durcheinander gebracht, danke schön, knurrte sie verbissen, nein, nein und nochmals nein, sagte sie immer wieder, absolut nicht und unter keinen Umständen, eher wächst mir hier – und sie zeigte auf ihre nach Jahren des Herrschens im Königreich Küche übel zugerichtete Handfläche –, hier an dieser Stelle ein Kaktus. Die können ja nicht mal richtig reden so wie wir, sagte sie gern mit böser Genugtuung, wenn sie die Telefongespräche mit David und Ruth erwähnte. Der Vater war zwar Jude, aber immerhin auch Pole, doch der Sohn redet, als hätte er Klöße im Mund und in so einer altmodischen Sprache. Bitte, erwägen Sie die Sache doch … äffte sie hämisch David Goldbaums Polnisch nach. Einen Sack Kartoffeln soll er sich erwägen! In dem doppelten Unglück von Zofias Tod und Dominikas Unfall war es Jadzia völlig entgangen, dass Ignacys Kinder David, Joshua und Ruth ihre Halbgeschwister waren, denn solche Dinge wie das plötzliche Auftauchen von Geschwistern, die passierten in Fernsehserien, aber nicht auf Piaskowa Góra. Was sollte sie mit unbekannten Geschwistern, wo sie alle Kräfte aufbieten musste, um ihr eigenes Kind zu retten, dem, wie stets von ihr befürchtet, etwas Schreckliches zugestoßen war, das allerdings ganz anders war als das, was sie gefürchtet hatte. So viele Unglücke und entsetzliche bakterielle Infektionen hatte sie sich ausmalen können, und dann hatte ihr Kind einen Unfall, den Jagienka Pasiak verursacht hatte, ausgerechnet die brave und niedliche Jagienka Pasiak. Mutter Chmura wollte keine Hilfe von Ignacys Familie, doch als Grażynka wie vom Himmel gefallen mit dem Vorschlag kam, die im Koma liegende Dominika in ein deutsches Krankenhaus zu bringen, besiegte Jadzia ihren Stolz und fast körperlichen Widerwillen, den sie von jeher gegen diese Frau empfunden hatte. So ein Hallodri!, in Gedanken an Grażynka schüttelte sie den Kopf in heiliger Entrüstung, so ein Hallodri, und ausgerechnet ihr fällt das große Los zu in der Lotterie des Lebens, und anständige Frauen haben nicht mal drei Richtige im Toto. Es gibt keine Gerechtigkeit auf der Welt! In einem Kleid wie eine Frühlingswiese, die BH -Träger sichtbar auf den Schultern, mit Ohrringen klimpernd, die so groß waren wie zwei tschechoslowakische Kristallkronleuchter, fegte Grażynka durch das Wałbrzycher Krankenhaus und knöpfte sich die Ärzte vor, die zu Jadzias Empörung nicht sagten: Lassen Sie mich bitte los und belästigen Sie mich nicht, sondern stehen blieben und ein strahlendes Lächeln aufsetzten, das man ihr, Jadzia Chmura, nie zeigte. Die Dankbarkeit
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