Wolkenfern (German Edition)
schnappen, die werden immer verdienen. Man braucht sich doch nur den Doktor Lipka von Piaskowa Góra anzusehen, schon wieder ein neues Auto in Metallic, das ganze Haus renoviert, und man muss einen Monat im Voraus anrufen, um einen Termin zu bekommen. Ach, wenn meine Dominika bloß nicht ihr Leben mit einem Nichtsnutz oder Hallodri vergeudet, seufzt Jadzia Krysia Śledź gegenüber und genießt dabei ihre kleine boshafte Genugtuung, da das Leben von Krysias Tochter, der Friseuse Iwona, unwiderruflich vergeudet scheint. Außer für den eventuellen Schwiegersohn interessiert sich Jadzia dafür, wie die Leute in Amerika ihre Häuser einrichten, insbesondere die Küchen, und Küchenfragen allgemein. Wie wohnen die denn da in Amerika, erkundigt sie sich. Wie haben die zum Beispiel die Küche eingerichtet? Und Eingemachtes, was für Eingemachtes gibt’s da? Hast du vielleicht ein neues Rezeptchen? Bestimmt kriegt man alles im Geschäft, die Versorgung ist ja besser dort. Nutz es aus, Kind! Andere mögen Not leiden, aber dir ist dieses Los zuteil geworden. Hab ich dir gesagt, wie schwer die Irena Chloryk es hat?
Jadzia freundet sich allmählich ein bisschen mit Amerika an, nach dem zu urteilen, was ihre Tochter erzählt, ist das Leben doch freundlicher und einfacher als auf Piaskowa Góra, vor allem, wenn man sich Dallas anguckt, da kommen Männer vor, denen die von Piaskowa Góra nicht das Wasser reichen können. Für Jadzia ist Dallas nach Isaura die beste Serie überhaupt, schöne Frauen, saubere Hände, echte Männer, wenn man diesen einen Homodingsbums nicht rechnet. Gelegentlich erinnert sich Jadzia mit Widerwillen, den Mund zum Hühnerpürzel geschürzt, an die einzige Liebschaft ihres Lebens, mit Gutek Balcerzak, dem Lieferanten, der die von Onkel Kazimierz hergestellten Gartenzwerge abholte. Gutek! In ihrer Erinnerung hat Jadzia ihn auf die Größe eines Eulengewölles schrumpfen lassen, dieser Hühnerarsch, und wenn er sich ein Bein ausrisse, nie im Leben würde er das Niveau der Männer aus Dallas erreichen. Gutek hatte sie im Wind stehen lassen, was auf Piaskowa Góra besonders hässlich ist, weil hier der Wind so heftig weht, vor allem im Durchgang zwischen dem Babel und dem nächsten, ganz ähnlichen Block, in diesem Durchgang führt das mysteriöse Zusammentreffen bestimmter Umstände dazu, dass hier immer, unabhängig von Temperatur und Jahreszeit, ein Tornado tobt. Jadzia hat den Eindruck, es sei jetzt sogar noch zugiger als früher im Sozialismus, die Frauen halten sich an ihren schweren Einkaufsnetzen fest, die Hundebesitzer klemmen sich die kleineren Exemplare unter den Arm, Mütter stopfen die Decke fester um ihre Kinder, und trotzdem ist es vorgekommen, dass der Wind einen ganzen Kinderwagen mit einem Frühchen drin und zwei Cockerspaniels in die Lüfte gerissen hat, so eine Tragödie, und das direkt vor den Feiertagen. Hier pfeift’s ja wie in Kielce um Allerheiligen!, schreit Krysia Śledź, wenn sie sich vor dem Babel treffen, und Jadzia, die Haare vom Tornado zu kleinen Spiralen gedreht, grölt: Was?! Ich hör nichts, Krysia, weil es so schrecklich klabastert! Wenn Jadzia den Eingang erreicht, bis ins Knochenmark durchgeblasen, mit Sand in den Augen und zwischen den Zähnen, einer alten Zeitung im Gesicht und trockenem Laub in den Haaren, dann hält nur noch der Glaube sie aufrecht, dass es irgendwo Orte gibt, wo kein Wind weht, wo sonnenbeschienene Bänke in grünen Gärten stehen. Dieses verdammte Krähennest, hier wird sie den Löffel abgeben, dann wird Dominika vielleicht mal nach Wałbrzych kommen, aber dann wird es zu spät sein, jawohl, zu spät, dann senken sie die alte Mutter in die Grube, sie wird ganz wehmütig zwischen dem sechsten und dem siebten Stock und schnappt nach Luft wie ein Weihnachtskarpfen vor der Enthauptung – schon wieder ist der Fahrstuhl kaputt.
Nach den Telefongesprächen mit Dominika spuken amerikanische Tagträume durch Jadzia Chmuras Kopf, in diesen Träumen haben die Häuser Treppen wie in Dallas , Gärten, in denen Fleischgeruch verlockend über den Gartengrills aufsteigt, und preußische Wände, die Jadzia so gut gefallen haben, dass sie überall da sein müssen, wo es schön ist. Alles im Haus ist farblich abgestimmt, sagst du? Verwundert lauscht sie den Erzählungen ihrer Tochter. Das kostet bestimmt eine Stange Geld, wenn alles so abgestimmt ist, und viel Gerenne durch die Geschäfte. Schön musste das aussehen, so farblich abgestimmt, das würd ich bei
Weitere Kostenlose Bücher