Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
Vom Netzwerk:
mir auch gerne machen! Ja, sehr schön, Mama, sagt Dominika zustimmend, damit Jadzia, die endlich mal einen Augenblick lang nicht bemuttert, sondern an sich denkt, ein bisschen Freude an etwas hat, was in Wirklichkeit so scheußlich ist.
    Im Haus von Familie Smith in Harrison, Arkansas, sind in jedem Zimmer die Tapeten im Muster auf die Polstermöbel abgestimmt und farblich auf Teppiche, Lampenschirme und die Schonbezüge für die Polstermöbel. Es gab ein blaues Zimmer, ein resedagrünes und ein braunes Zimmer, der master bedroom sei in dusted pink erklärte Frau Smith Dominika, die verstand, dass es staubig war und der Multifunktionsstaubsauger in Betrieb genommen werden musste. Ivos Mutter hastete durch diese hässlichen Zimmer und rückte die Nippesfiguren und Bilder mit breit lachenden Familienangehörigen zurecht, wenn sich diese um Millimeter verschoben hatten. Ihre Hand war präzise, ihr Auge unfehlbar, und wahrscheinlich hätte sie auch die Kloschüssel mit Blümchentapete auskleiden lassen, wenn man es ihr vorgeschlagen hätte. Ivos Mutter behandelte Dominika genauso wie die anderen Familienangehörigen, schließlich war sie ja ihre Schwiegertochter, sie machte in voller Fahrt einen Bogen um sie wie ein Kreisel oder schnitt an ihr vorbei, dass die Funken stoben, und schon war sie weg. Nur einmal wechselte Ivos Mutter mehr als zwei Worte mit Dominika, als sie vor der Stellage mit den Elefantenfiguren fast zusammengeprallt wären. Den, sagte sie unvermittelt und hob den geblümten Porzellanelefanten auf, den hab ich beim Vortragswettbewerb in der Schule bekommen, ich konnte sehr gut vortragen, diesen kleinen in rosa hab ich geschenkt bekommen, und den aus Kristall dahinten, den hab ich mir selbst aus einem Katalog bestellt. Bevor Dominika noch etwas erwidern konnte, war Frau Smith schon in die obere Etage verschwunden, aus der wenige Augenblicke später das Geräusch des Staubsaugers ertönte.
    Am Tag nach dieser Unterhaltung zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter starb John III Smith, doch bevor er in den Himmel fuhr – denn dahin kommen die braven Leute nicht nur aus Harrison, Arkansas –, hatte er sein Testament wieder geändert und seinem Erstgeborenen so viel Geld vermacht, dass dieser seinen Traum von der eigenen Konditorei würde wahrmachen können. Die Schwestern erbten je eine Hälfte des Unternehmens für Badezimmereinrichtungen, und Frau Smith bekam ihre Freiheit, was sie geradezu erdrückte. In der Nacht nach der Beerdigung konnten Dominika und Ivo in dem ihnen von Frau Smith zugeteilten blauen Schlafzimmer lange nicht einschlafen. Dominika im blauen Nachthemd und Ivo im blauen Schlafanzug saßen da und tranken kalifornischen Wein aus John III Smiths Vorräten, der laut Ivo Nonnenpisse war, nicht zu vergleichen mit französischen Weinen. Sie sahen aus dem mit einer blauen Schabracke gekrönten Fenster, wie draußen die Nacht allmählich in den Dämmer blaute.
    Was jetzt?, fragt Ivo. Jetzt fährst du nach Paris und eröffnest dein Croissant du galant, machst Mousse au Chocolat und trinkst französischen Wein. Und du, mein Frauchen? Ich fahre nach New York, Sara erwartet mich, ich such mir eine Arbeit, ich hab das Gefühl, dass ich länger dort bleiben werde. Mir gefällt der Name – New York. Und Manhattan. Zuhause nannten sie den Markt vor unserem Block Manhattan. Und dann? Keine Ahnung. Ich überlege mir die Dinge lieber, wenn es so weit ist. Vielleicht komme ich dich im Croissant du galant besuchen, vielleicht fahre ich nach Polen und mache Johannisbeerwein. Sie streicht Ivo übers Haar, das weich und fein ist wie Jadzias Haar nach dem Waschen. Sie sieht Jadzias Gesicht vor sich und erkennt plötzlich die Züge ihrer Oma Zofia unter denen ihrer Mutter, sie sieht das Haus in Zalesie, das abgebrannt ist, die schwarzen Dahlien mit Blüten groß wie Kinderköpfe. Hat ihre Großmutter das Feuer gespürt, hat sie gelitten, oder hat sie den Brandgeruch gespürt, hat sie diesen schrecklichen Geruch nach verbranntem Fleisch zum letzten Mal gerochen, um danach ein für alle Mal in Sicherheit zu sein?
    Weinst du?, fragt Ivo. Ich hab dich noch nie weinen sehen. Du weinst doch wohl nicht um John III Smith? Ivo steht auf und legt den Arm um Dominika, streichelt ihre mageren jungenhaften Arme, den Rücken, in dem sich die Wirbelsäule ertasten lässt wie eine Tonperlenkette, wie er sie ihr einmal auf dem Jahrmarkt in Gelnhausen gekauft hat. Wein doch nicht, ich erzähl dir von Paris, sagt Ivo.

Weitere Kostenlose Bücher