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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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Serviette und unter den Tisch damit, das ist am besten. Du brauchst keine Angst zu haben, Mama, in Amerika gibt es keine Bakterien, keine einzige, sagt ihre Tochter, und Jadzia krümmt sich bei diesem spöttischen Ton wie eine Raupe. Trotzdem, dieser spöttische und unwillige Tochterton ist ihr immer noch lieber als Schweigen in der Leitung und erst recht als ein überhaupt schweigendes Telefon. Nach Jahren ohne Telefon ist dieser Apparat zum wichtigsten Gegenstand in der Wohnung geworden. Jadzia reibt den Hörer mit Salicylspiritus ab und schnüffelt an der Sprechmuschel, ob auch keine Spur von ihrem Atem daran haften geblieben ist. Wenn eine Nachbarin das Telefon benutzt, zum Beispiel Krysia Śledź, die immer noch nicht angeschlossen ist, dann reicht das Abreiben des Hörers nicht, dann muss er richtig geputzt werden. Sie hat in den Hörer gehustet, ohne die Hand vor den Mund zu halten. Man weiß ja nie, was für Krankheitskeimchen die Leute so in sich haben, klagt sie Dominika und rät ihr, in diesem Amerika nur durch die Nase zu atmen und nicht durch den Mund, denn so atmet man weniger Bakterien ein.
    Obwohl es ein schnurloses Telefon ist, hält sich Jadzia mit dem Hörer immer ganz nah am Apparat, sie fürchtet, die Verbindung nach Amerika könnte abreißen, wenn sie sich zu weit entfernt, dann bleibt sie wieder mutterseelenallein mit ihrer Einsamkeit und Stille. Unten am Babel, auf dem Manhattan-Markt, trifft Jadzia Dominikas ehemalige Klassenkameradinnen, jetzt mit Kindern, mit platinblonden Strähnchen im Haar, mit einem Leben, dessen Nachteile unschwer zu sehen sind, doch das so handlich ist, so einfach zu verstehen, so passend zur Welt von Jadzia Chmura. Dominika versichert sie jedoch am Telefon immer wieder, wie gut sie es getroffen hat, so ein interessantes Los, Reisen in der ganzen Welt, erst in der BeErDe, jetzt in Amerika, während ihre Schulfreundin Iwona Śledź vom soundsovielten Habschi wieder zum Babel zurückgekehrt ist und sich jetzt mit Mutter, Vater und der kleinen Patricia in zwei Zimmer quetschen muss. Die hocken aufeinander in einer Enge, da passt keine Hand mehr rein, erzählt Jadzia ihrer Tochter. Ich bin mal bei ihnen auf die Toilette gegangen, da war ein solcher Dreck und Gestank, ein Elend, ich sag dir! Und der Sitz ganz bespritzt. Ich hab mich geekelt, das Handtuch anzufassen, und hab die Hände am Toilettenpapier abgetrocknet. Ein Wunder, dass die bei dem Dreck nicht krank werden, so ein Handtuch ist ja eine wahre Brutstätte für Bakterien. Wenn Jadzia laut über das Elend von Herrn und Frau Śledź und ihrer Tochter redet, schweigt das innere Stimmchen, das sich manchmal in ihr meldet und flüstert, in Wirklichkeit hätte sie Dominika doch lieber bei sich in der Nähe, sogar mit Kind und mit einem Versager verheiratet, der beim Pinkeln den Klosettsitz bespritzt. Die Litanei des Jammers von Piaskowa Góra ist ihre Waffe gegen boshafte Einflüsterungen der Seele, und Jadzia Chmura betet sie Dominika zum soundsovielten Male vor. Die Krysia Śledź zum Beispiel, die hat es schwer, herrje, hat die es schwer, alle hocken aufeinander, aufeinander hocken sie alle, ich sag dir, die hat es schwer, schwer hat die es der Śledź ohne Arbeit weil die Zeche zugemacht hat und wie die Zeche zugemacht hat da hat er seine Arbeit verloren und jetzt geht Pati bald zur Kommunion und das sind ja Ausgaben immer mein Gott was sind das für Ausgaben die werden sich total verausgaben müssen schwer haben die es das sag ich dir die Zeche hat ja zugemacht und er hat nichts in der Tasche schwer hat’s die Krysia und die Iwona auch schwer hat’s die Irenka Chloryk so ein Pech das Pech das verfolgt sie der Mann hat sie sitzenlassen die Mutter ist in der Klapse nix wie Pech und so Warzen hat sie auf der Gebärmutter die sind geplatzt groß wie Apfelsinen sind die gewesen und schizophren ist sie auch und sie hat offene Beine mit den Füßen nach vorn ach schwer ist das. Du, mein Kind, du hast im Vergleich mit denen Karriere gemacht, sagt Jadzia abschließend, und eine Zeitlang ist sie ruhiger. Wenn jetzt nur Dominika noch einen normalen Kerl in Amerika kennenlernen würde. Dann würden sie nach Wałbrzych kommen und sich in Szczawno Zdrój ein Haus kaufen. Oder bauen. Jadzia schreit ins Telefon, immer schreit sie so ins Telefon: Vielleicht, Kind, lernst du dort mal einen normalen Mann kennen! Guck dich um! Einen amerikanischen Arzt oder einen Zahnarzt, vielleicht auch einen Gynäkologen könntest du dir

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