Wolkenfern (German Edition)
Nonnen, sagt Pani Malec, und Pan Malec, der kurz aus seinem Schlummer erwacht, sagt: Warte noch ein bisschen, Mäuschen, bald ist es so weit. Schwere Teller und Becher kommen in die Kartons, jeder bloß für einen Dollar oder sogar nur neunundneunzig Cent, das ist ein echtes Superangebot, so was gibt’s in Polen nicht, also schnell in den Karton damit, denn zum Benutzen sind sie zu zerbrechlich. In die Kartons kommen die Jacken, die den Kindern zu klein geworden sind, Gläser für Cocktails, die sie nicht trinken, und Schalen für Desserts, die sie nicht zubereiten, in die Kartons kommen Puppenwagen, Puppen, Plastikautos, Spiegel, Fotorahmen, Sets zum Basteln von Schmuck und Papierarbeiten, vielleicht probiert man es ja doch mal aus, und zwar mit Erfolg, dann kann man sich bunte Perlen herstellen oder ein Frühstücksbrettchen mit Klebefolie beziehen, damit man in einer schönen zukünftigen Wohnung bereits ein hübsches Frühstücksbrett bereit hat. In die Kartons werden die Tüten mit Modeschmuck verbannt, der jetzt wirklich unbrauchbar ist; für zukünftige Bälle und Veranstaltungen in Lokalen ist er jedoch bestens geeignet, aber nicht in der engen Wohnung. Und schließlich die Schuhe, denn die wirft man ja nun wirklich nicht weg. Um in ihr Zimmer zu gelangen, muss Dominika den ganzen Flur entlang an den aufgestapelten, mit Malec, Stenia, Hania beschrifteten Kartons vorbeigehen, und sie spürt, wie sie sich zu ihr neigen, sie hat Angst, dass sie hier eines Nachts lebendig begraben sein wird, und erst am Morgen, wenn Pan Malec zur Arbeit geht, wird er sie vielleicht befreien. Irgendwann stand eine Gipsfigur der Gottesmutter im Flur, doch wegen der Kartons wurde sie nach draußen verbannt, auf das dunkle Podest im Treppenhaus. Jetzt hat man den Eindruck, als lauere vor der Tür zu ihrem Etagenflur eine weißgesichtige Zwergin, die Hände bereit, den Erstbesten an der Gurgel zu packen. Außer den Kartons, deren Bestimmung das Warten ist, packt man im Haus an der Siebten Straße auch Pakete zur sofortigen Verschickung nach Polen, wo es ja bekanntlich an allem mangelt, und außerdem ist es ja auch schön, der Familie zu zeigen, dass das hier ganz und gar nicht so ist, nein, es ist ein wahres Paradies, und was fehlt, ist allein das Vaterland. In der Vorweihnachtszeit schleppen die Leute aus dem Haus in der Siebten Straße und ähnlichen Häusern in anderen Straßen Pakete auf die Post, die Gescheiteren jedoch, wie die Familie Malec zum Beispiel, bedienen sich dazu nach dem Vorbild der Obdachlosen eines Einkaufswagens vom Billigsupermarkt Key Foods, der hier Kiefuhd genannt wird. Wenn es ans Paketeschicken geht, kooperieren sogar Pani Stenia und Pani Hania, obwohl sonst Erstere die Zweitere stets der Trunksucht und Ausschweifung und Zweitere die Erstere der Einmischung und Bigotterie bezichtigt, wobei die jeweiligen Vorwürfe nicht ohne Grundlage sind. Pani Stenia stopft sogar noch Toilettenpapier in ihr Weihnachtspaket, und ihre Angehörigen in Polen haben nicht das Herz, ihr zu sagen, dass Toilettenpapier seit mindestens zwei, drei Jahren keine Mangelware mehr ist, dass man es in jedem Laden kaufen kann und es sogar bunte und parfümierte Ausführungen gibt. Pani Hania schickt auch Dinge, die für sie selbst nützlich sein werden, wenn sie nach Wągrowiec zurückkehrt, denn Pani Hania gehört zu denen, die ihre Rückkehr planen, und das schon seit siebzehn Jahren. Man kriegt ja einen Schrecken, wenn man bedenkt, wie schnell die vergangen sind, zwei Tage nach ihrem dreißigsten Geburtstag ist sie ins East Village gekommen, und bitte schön, jetzt ist sie siebenundvierzig, und in ihrem Leben ist immer noch kaum etwas passiert. Das einzige Etwas in ihrem Leben ist die Aussicht auf die Rückkehr nach Hause. Wenn ich zurückgehe, dann kann ich das alles brauchen, sagt sie zu Dominika und rät ihr, auch die Rückkehr zu planen. Die Einzelheiten von Pani Hanias Rückkehr nach Wągrowiec werden immer wieder aufs Neue durchdacht, denn es will nicht nur entschieden sein, wo sie nach ihrer Rückkehr wohnen wird, sondern auch, wie man sich für die Reise kleidet, denn man will ja den Eindruck vermitteln, dass man nicht ohne festes Ziel vor Augen nach Hause zurückkommt. Pani Stenia redet nicht von Hei mkehr, denn ihre Vernunft und ihre langjährige Lebenserfahrung haben sie zu der Erkenntnis gebracht, dass in ihrer Wohnung in Kąty Wrocławskie kein Platz für sie ist, da dort bereits ihr Sohn und ihre Schwiegertochter, zwei
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