Wolkenfern (German Edition)
Enkel und ein Urenkel leben. Deshalb redet sie davon, ihre Familie herzuholen, und so wird das Herholen der Familie ihr erklärtes Ziel, das jedoch gleichzeitig in die Ferne rückt, da einerseits Pani Stenias Papiere immer noch nicht ganz den Vorschriften entsprechen und andererseits ihre Ersparnisse, die sie durch das Putzen von amerikanischen Wohnungen angesammelt hat, geringer sind als die, die die ausschweifende Pani Hania beim Kellnern im polnischen Restaurant in Greenpoint hat anhäufen können. Fräulein Dominisia, überlegen Sie auch mal, ob Sie nicht Ihre Familie herholen wollen!, rät Pani Stenia Dominika bei jeder Gelegenheit.
Beide Frauen wundern sich, dass Dominika keine Kartons anhäuft und angesichts der vielen schönen Dinge, die man einschachteln kann, nur eine aufreizende Gleichgültigkeit an den Tag legt. Pani Stenia hat ihr sogar vom Liquidator erzählt, dem Billigladen am Broadway, zwei Schritte vom Astor Place, obwohl man nicht jedem x-Beliebigen von solchen Orten erzählt, Pilzesammler plaudern ja auch nicht rechts und links aus, wo es die besten Pfifferlinge gibt. Im Liquidator kann man nicht nur Schnäppchen bei der Unterwäsche und den Kleidern mit herausgeschnittenen Markennamen machen, sondern auch bei den Küchengeräten, letztens gab es Toaster in verschiedenen Farben, nur fünf Dollar pro Stück, Pani Stenia hat gleich fünf gekauft, wenn sie die Familie herübergeholt hat, werden die nützlich sein. Pani Hania empfahl auch den Kauf der Toaster, sie hatte drei ergattert, genau das Richtige für die Heimkehr nach Wągrowiec, unterdessen landen sie in einem Karton, wo sie von Toastbrot und kaffeeduftenden Morgen träumen können. Vielen Dank für den Hinweis, sagt Dominika, vielleicht später. Wieso später, jetzt musst du hin, Mädchen, zieh die Schuhe an und renn, sonst sind sie ausverkauft! Doch Dominika lächelt nur schief und fährt sich mit der Hand durch den Igelschnitt. Dass die ihre Haare auch so kurz schneiden muss! Pani Hania kann sich nicht genug wundern, sie mag es nämlich nur lang und hat sich kürzlich sogar im polnischen Salon Marysia gleich um die Ecke Haarverlängerungen machen lassen. Pani Stenia und Pani Hania rätseln über Dominika Chmuras seltsame Angewohnheiten und wüssten gerne mehr über sie, denn sie sind überzeugt, dass sie ein Geheimnis hat. Vielleicht spart sie alles? Vielleicht hat sie ein uneheliches Kind? Als Pani Malec, Pani Stenia und Pani Hania erfahren, dass Dominika Arbeit bei einer alten Jüdin auf der Upper West Side gefunden hat, beginnen sie zu argwöhnen, dass sie ihre Sachen an einem anderen Ort hortet. Hat sie Angst, sie würden ihr was stehlen? Also wirklich! Vielleicht ist es auch besser so, sonst würde sie ihnen noch Platz wegnehmen. Wenn ich zurückfahre, sagt Pani Hania, dann kommt mir das grade recht, manchmal meint man, ach was, das brauch ich nicht, aber hinterher ist man doch froh, dass man es nicht weggeworfen hat, weil es einem grade recht kommt. Und ich, ich kann das erst recht brauchen, wenn meine Familie ankommt, was glauben Sie, fällt Pani Stenia ihr ins Wort. Wenn ich meine Familie hergeholt habe, dann werden wir alle das alles so brauchen, dass wir noch mehr davon brauchen könnten.
Das einzige Küchenfenster im Haus an der Siebten Straße geht auf den dunklen Hinterhof, in den nie ein Sonnenstrahl gelangt, wohl aber gelegentlich Ratten, und das ist ein Problem, denn so eine Ratte nagt sich von hinten durch in den Schrank mit den Vorräten und frisst dann um die Wette mit den Kockrohtschen, die zuerst hier waren. Diese Kockrohtschen, die treiben es hier wild zu jeder Tageszeit, ihre Beinchen trappeln dauernd über das alte Linoleum, und die Schuld daran wird meistens Pani Malec zugeschoben, die wegen der Kinder am meisten kocht und Reste offen herumstehen lässt, mal ein nichtaufgegessenes Butterbrot, mal einen ungespülten Teller mit Spuren vom Grießbrei. Die Malec-Kinder gehen vor allem Pani Hania auf die Nerven, der auch Dominikas Jugend und Pani Stenias Alter Ärger bereiten. Um sich selbst zu stählen und jeden Zweifel zu beseitigen, sagt sie immer wieder, sie könnte das einfach nicht, sie würde es mit diesen verdammten Rotznasen nicht aushalten, doch sie hat keine Ahnung, dass niemand von ihr etwas anderes erwarten würde, denn schon längst betrachtet jeder sie als eine Frau, die nicht in der Lage ist, für ein Lebewesen zu sorgen. Also, ich würde die nicht mal einen Hund hüten lassen, sagt Pani Stenia zu
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