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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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eingelullt von ihren flüsternden Stimmen, ließ ich mich fallen. Es war so unendlich richtig, was hier geschah! NICHTS WAR RICHTIGER ALS DAS!

 
    CHRISTIAN
     
     
     
    I
    Wieder war es August geworden, wieder umgaben mich Hitze, Staub, Trockenheit und Lärm. Aber dieses Mal saß ich nicht im Zug, sondern stand auf einem großen Marktplatz inmitten einer  schwatzenden und singenden Menschenmenge.
    Um mich herum sah ich lauter fröhliche Gesichter, staunende Kinder an Ständen mit Holzspielzeug, aufgeregt gestikulierende Frauen, die sich gegenseitig Ketten und Stoffe vorführten, Männer, die lässig an Theken lehnten und einander mit Wein oder Bier zuprosteten. Ein dumpfes Stimmengewirr brandete wie die Wellen des nahen Meeres an meine Ohren, umsponnen von Musik, durchtränkt mit dem Klirren, Klingen, Klopfen und Pfeifen der Waren, die an den Ständen zum Verkauf angeboten wurden. Die Rufe der Marktschreier schnitten wie Messer durch diesen Teppich aus Klängen und Geräuschen. Die Luft war erfüllt von den verschiedensten Gerüchen: süße Crêpes, deftiges Brot, herbes Met, aromatischer Wein, luftige Parfums.
    Der Trubel um mich herum machte mich nervös, zumal ich nicht sehr viel von dem verstand, was die Leute sagten. Noch immer hatte ich mich nicht ganz an die französische Sprache gewöhnt, auch wenn mein Wortschatz in den letzten zwei Wochen rapide zugenommen hatte. Aber ich wusste Christoph hinter mir, und Celines golden schimmernder Pferdeschwanz vor mir wies mir fröhlich wedelnd die Richtung.
    Wir waren in Brest. Christoph und ich hatten Celine nach dem Ende des Schuljahres in ihre Heimat begleitet, waren zwei Wochen lang zu zweit in der Bretagne herumgetingelt und besuchten sie nun zu Hause, genau rechtzeitig zum großen, jährlichen Sommerfest. Wir hatten hier noch etwas zu erledigen, bevor es wieder nach Deutschland ging. Genauer gesagt hatte Christoph hier noch eine Verabredung, von der der andere Part allerdings noch nichts wusste. Ich war mir noch nicht sicher, ob diese Idee gut war, aber es war Christoph sehr wichtig, wichtig für sein Herz und seine Seele, und deshalb waren wir hier.
    Wir standen im Schatten eines riesigen Kettenkarussells und verfolgten mit den Augen Celines Flug in einem der Sitze. Christoph stand hinter mir und hielt mich fest mit den Armen umschlungen, weil mir schon allein vom Zusehen ganz schwindlig wurde. Im Gegensatz zu mir liebte er Karussells schon von klein auf, und wenn die Gaukler in München gewesen waren, hatte er sogar manchmal die Schule geschwänzt, um den ganzen Tag über auf dem Festplatz herumzutoben. Das hatte natürlich Ärger mit den Lehrern und seiner Mutter gegeben, aber das hatte er immer trotzig in Kauf genommen. Letztendlich waren dies mit die schönsten Tage seiner Kindheit gewesen: an der Seite seines Vaters, den er das restliche Jahr über immer so sehr vermisste.
    Celine flog in den Himmel, verfolgt von unseren wachsamen und ängstlichen Blicken. Sie winkte uns übermütig zu, lachte und streckte die Hand nach dem Jungen neben sich aus, der sie ergriff und festhielt. Christoph hielt meine Hand, während meine Gedanken ebenfalls in den Himmel flogen, hoch hinauf und dann zurück zu den Ereignissen der vergangenen Monate.
     
    Nach den Winterferien hatte ich noch einmal voll aufgedreht, hatte mich in der Schule ins Zeug gelegt, um meine Abschlussnoten so optimal wie möglich zu gestalten. Das gehörte zum Plan, und je näher die Stunde der Offenbarung gegenüber meinem Vater rückte, desto nervöser wurde ich. Aber es war eine gute Nervosität, weil ich sah, dass ich mir eine solide Grundlage aufgebaut hatte. Meine Arbeit trug Früchte, die Ernte würde gut ausfallen – und hoffentlich auch das geplante Geschäft damit!
    Ich hatte im Laufe der Wochen bei mehreren Universitäten Erkundigungen über deren Studienbedingungen eingezogen, war mit Felix oder Celine dahin und dorthin gefahren, um sie mir anzusehen und auch einmal vorzusprechen. Die LMU in München war natürlich mein Favorit, aber ich hatte auch noch zwei Ersatzmöglichkeiten in der Tasche. Letzten Endes würde ohnehin Christoph entscheiden, wohin wir gemeinsam gehen würden, sobald er sein Studium beendet und einen Job gefunden hatte. Während ich mich im kommenden Schuljahr auf das Abitur vorbereiten würde, begann bei ihm das Hauptstudium, das auch für ihn neue Herausforderungen mit sich bringen würde. Prüfungen also für uns beide, Prüfungen für’s Leben; aber unser beider

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