Wolkengaukler
keines, aber das war auch nicht nötig. Sie war so natürlich schön, wie man es nur sein kann, wenn man gerade achtzehn Jahre jung ist und voller positiver Erwartungen in die Zukunft blickt.
Christoph, Felix und ich waren schon bei ihr, als die ersten Gäste eintrafen, so dass vorerst niemand genau wusste, wie wir tatsächlich miteinander zusammenhingen. Natürlich bekamen früher oder später alle mit, dass Christoph ihr Bruder war, und wer es an den verblüffend ähnlichen Augen und Haaren trotzdem nicht erkannte, der bekam die Neuigkeit spätestens durch die Gerüchteküche serviert. Die kochte ziemlich heiß, denn keiner konnte sich die Geschichte zusammenreimen, wieso unsere französische Austausch-schülerin plötzlich einen Bruder hatte, der in München wohnte und den sie noch nie erwähnt hatte. Aber so direkt zu fragen traute sich keiner, und die beiden gaben sich so natürlich im Umgang miteinander, dass bald jeder glaubte, dass das schon immer so war und auch gar nicht anders sein konnte.
Die beiden bezirzten sie alle mit ihrem Charme. Allerdings stahl mein Lover seiner Schwester bei den Mädels ein bisschen die Show. Er sah umwerfend sexy aus in seiner legeren Jeans und dem dunkelblauen Poloshirt. Darüber trug er ein cremefarbenes Jackett, das wunderbar zu seiner Haarfarbe passte und ihn sowohl sportlich als auch männlich-elegant wirken ließ. Ich hielt mich diskret im Hintergrund und beobachtete fasziniert, wie er von den Mädchen umschwärmt wurde. Er redete und scherzte mit jeder, war freundlich und offen zu allen und kam offenbar auch bei den Jungs gut an. Jeder schien an einem mehr oder weniger intensiven, kameradschaftlichen Smalltalk mit ihm interessiert zu sein, und ich registrierte auch einige neidische oder anerkennende Blicke meiner Kumpel. Den ganzen Abend über war Christoph regelrecht umlagert von den Bienen aus meiner Klasse, so dass wir kaum beieinander standen. Dennoch hielt er regelmäßig Blickkontakt mit mir und ich mit ihm. Einmal las ich sogar so etwas wie einen verzweifelten Hilferuf in seinen Augen. Aber ich grinste nur schadenfroh und hielt mich ansonsten zurück.
Derweilen leistete ich Felix Gesellschaft, der versuchte, von Celine wenigstens einen Tanz zu erhaschen. Es war beinahe nicht zu fassen: mein sonst so redegewandter und draufgängerischer Kumpel brachte bei ihr nicht einmal den einfachsten Satz heraus! Von seiner Unbeholfenheit schon leicht genervt, vermittelte ich schließlich geschickt und von ihm unbemerkt zwischen den beiden. Natürlich war Celine einverstanden, und nach dem Grillen eröffnete sie mit ihm den gemütlicheren Teil des Abends, also gab die Tanzfläche frei. Ich beobachtete die beiden mit unverhohlenem Amüsement: noch im letzten Jahr war Felix sich unheimlich cool vorgekommen, als er seine kleine Blonde – wie hieß sie doch gleich, Antonia? – herumgewirbelt hatte. Er konnte gut tanzen, ohne Zweifel; aber in Celine hatte er zum ersten Mal eine starke Partnerin gefunden, die ihm einige Nüsse zu knacken gab: man sah es nicht, aber ich wusste, dass s i e führte. Trotzdem schwebte Felix nach dieser Runde wie auf Wolken. Er war die Glückseligkeit in Person, und ich konnte es ihm nicht verdenken. Mit Celine zu tanzen musste für einen Jungen wie ihn wie eine Freifahrt mit der Achterbahn sein, ohne Sicherheitsgurt und nur den Wind im Gesicht. Aber ihm war nun auch klar, dass er bei diesem Mädchen keine Chance hatte, und akzeptierte es schweren Herzens. Darüber war ich sehr froh. Einen Felix mit Liebeskummer konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen, jetzt, wo bei mir endlich alles glatt lief.
Christoph hatte schließlich mit dem Mut der Verzweiflung seine Verehrerinnen abgeschüttelt und sich zu mir durchgekämpft. Er war ein bisschen erschöpft, aber auch geschmeichelt von der überwältigenden Begeisterung, die er bei den Partygästen ausgelöst hatte. Ich hatte ihm diese Show natürlich gegönnt, aber ihn wieder an meiner Seite zu wissen war schon sehr beruhigend. Wir plauderten zu dritt ganz ungezwungen, als sich plötzlich Katharina mit ein paar Freundinnen im Schlepptau zwischen uns drängte. Im ersten Moment dachte ich: ‚Oh Gott, was wird das denn jetzt? Will sie womöglich doch was mit mir anfangen?’ Aber sie drehte sich ganz kokett um und – forderte Christoph zum Tanzen auf! Ich war zunächst irritiert und dann sehr erstaunt. Soviel Mut hatte ich ihr gar nicht zugetraut! Was würde er jetzt machen?
Er sah sie ganz ruhig
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