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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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Prüfung hatten wir längst bestanden, und darüber war ich sehr froh. 
    Die Frühlingsmonate brachten eine Menge Veränderungen: grundsätzlich besserte sich meine Stimmung mit jedem Tag voller Licht, Wärme und endlich auch den ersten zarten Farben der Blumen im Vorgarten meiner Mutter. Ebenso wuchs meine Motivation, zu lernen und zu arbeiten, mit jedem sonnigen Tag beträchtlich an. Allerdings bemerkten nicht nur die Lehrer meinen neu erwachenden Lerneifer. Auch von Seiten meiner Kumpel bekam ich immer wieder einige Sprüche zu hören, von wegen Streber und so. Die meisten Sticheleien blieben harmlos, manche waren allerdings etwas derber als notwendig. Doch erstaunlicherweise steckte ich das alles recht gut weg; vielleicht, weil ich im Gegensatz zu den meisten meiner Klassenkameraden bereits ein klares Ziel vor Augen hatte, wofür ich meine Kraft aufwandte – und das war in München und hieß Christoph.
    Auch in anderer Hinsicht bekam die zwischenmenschliche Komponente einen neuen Touch: meine Beziehung zu Celine hatte sich seit den Winterferien grundlegend geändert: sie war die Schwester meines Lovers und damit keine potentielle ‚Kandidatin’ mehr für mich. Die Fronten waren geklärt, und ich wusste nun genau, woran ich bei ihr war – und sie bei mir. Wir gingen locker und entspannt miteinander um, ohne Zweideutigkeiten, wie zwei gute, enge Freunde.
    Über unser wahres ‚Verhältnis’ zueinander wusste nur Felix Bescheid, und der hielt aus alter Solidarität zu mir den Mund. Ich hatte ihm gleich nach meiner Rückkehr aus München die ganze Geschichte erzählt, damit er verstehen konnte, warum ich mich seit dem letzten Weihnachtsfest so – wie er es nannte – unmöglich verhalten hatte. Zuerst war es nicht einfach gewesen, an ihn heranzukommen; irgendwie hatte er sich in den Wochen seiner Krankheit eingekapselt, in einem Netz aus Selbstmitleid und Wut verstrickt. Doch die ersten warmen Strahlen der Märzsonne ließen auch in ihm das Eis schmelzen; schließlich war er regelrecht begeistert von den verschlungenen Wegen des Schicksals und der Zufälle, und beeindruckt, wie ich die Sache gemeistert hatte. Das streichelte mein Ego natürlich sehr und versöhnte mich wieder mit ihm.
    Außerdem war auch er einer von den Kandidaten, die nach den Winterferien wieder Hoffnung geschöpft hatten und Celine erneut den Hof machten. Sie genoss die kleinen Aufmerksamkeiten und Schwärmereien der Jungen meiner Klasse in vollen Zügen; nach den Irrungen und Wirrungen mit mir gönnte ich ihr dieses Spielchen von Herzen.
    Irgendwann bemerkte ich, dass auch ich plötzlich für das eine oder andere Mädchen interessant zu sein schien. Katharina blickte während des Unterrichts öfter als nur zufällig zu mir herüber, und manchmal fing ich ein scheues oder kokettes Lächeln von ihr auf, das ich höflich erwiderte – mehr nicht. Felix meinte, ich hätte mich tatsächlich irgendwie verändert, aber was es genau war, konnte er mir nicht sagen. Christoph dagegen schon, er schrieb: „Liebe hinterlässt Spuren, weißt du? In den Augen. Und die Augen sind das Tor zur Seele. Dachtest du, die letzten Monate wären spurlos an dir vorüber gegangen? Was du erlebt hast, mit mir und wegen mir, dein Mut und deine Kraft, einen Menschen festzuhalten und eine Familie zusammenzubringen – das hat dich reifen lassen. Das nennt man ‚Lebenserfahrung’, mein Süßer, und das macht dich interessanter als die Bubis in deiner Klasse. Das spüren die Mädchen sofort, die meisten jedenfalls. Was sie nicht spüren, ist, dass sie dich nicht haben können, weil ich dich habe, ganz tief in meinem Herzen – und manchmal auch woanders.“
    Weder Celine noch ich machten einem der Schwärmer Hoffnungen, jeder aus seinen eigenen Gründen, die nur wir beide kannten – na ja, eigentlich kannte ich Celines Gründe zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
     
    Ende April feierte Celine ihren achtzehnten Geburtstag. Nur im kleinen Kreis, mit ihren Gasteltern und ihren besten Freundinnen aus der Klasse. Ursprünglich war eine große Fete geplant. Aber wegen des schlechten Wetters verschob sie sie auf den Sommer und machte daraus jetzt, Ende Juli, eine Schuljahresabschluss- und Abschiedsfete im Garten ihrer Gasteltern. Dazu hatte sie die ganze Klasse eingeladen und auch ein paar Mädels aus dem Jahrgang unter uns, die sie aus dem fakultativen Französischkurs kannte. Ihre Gasteltern schlugen bei soviel Besuch auf einmal die Hände über dem Kopf zusammen, aber sie

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