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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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meinte, es sein zu müssen. Jedenfalls in dem Moment, als sein Konkurrent hinter dir saß.“
    Ich sah sie ungläubig an: „Konkurrent?“
    Sie nickte: „Ich denke schon, dass Christoph eine Art Konkurrent für ihn ist: keine kleine Schwiegertochter, die man knuddeln und verwöhnen kann, sondern ein fremder Mann mit festem Charakter und Charisma, auf den du abfährst. Und den du natürlich im Unterbewusstsein mit deinem Vater vergleichst. Bei einem Mädchen würde es wahrscheinlich deiner Mutter so oder so ähnlich gehen.“ Sie warf Felix einen kurzen Blick zu, der nachdenklich nickte. Dann fuhr sie mir zugewandt fort: „Mit dem Satz: ‚Oder bist du von dir enttäuscht?’ hast du letztendlich den Finger in die Wunde gelegt: er ist nicht mehr der einzige Mann, der dir etwas bedeutet, der dein Vorbild ist, dem du folgen willst. Er denkt, er hat versagt. Dazu kommt“, ihr Blick glitt zu Christoph hinüber, „dass die meisten Menschen ein Problem mit der Homosexualität an sich haben. Wie man damit umgeht, mit Schwulen, mit ihrer Beziehung zueinander. Ich kann mir vorstellen, dass er schlichtweg keine Ahnung hat, was da auf ihn zukommt, und das verunsichert ihn, macht ihm Angst. Er glaubt, dass er dir da nichts mehr raten, nichts mehr vorleben kann. Du weißt schon, diese Art ‚Vater-Sohn-Gespräche‘, was macht ‚Mann’ und wie macht ‚Mann’s’ richtig.“
    Ich war fasziniert, wie offen sie mit dem Thema Beziehung und Sex umging. Felix war eigentlich immer ein Draufgänger gewesen – aber bei und mit ihr würde er sich trotzdem ganz schön festhalten müssen, wenn es mit den beiden mal richtig abgehen sollte! Ich lauschte ihr weiter: „Er hat wohl einfach Angst, dass du dich in dieser Sache nicht mehr an ihm orientieren wirst. Und auch nicht, was deinen zukünftigen Beruf betrifft. Von Literatur hat er ja, wie Christoph sagte, keine Ahnung. Seine Position als Leitfigur ist also in jeder Hinsicht gefährdet. Verständlich, dass er aggressiv reagiert hat.“
    Sie nippte an ihrem Kaffee. Christoph schaute sie nachdenklich an. Felix hing sowieso schon die ganze Zeit an ihren Lippen; ich bezweifelte, dass er den Sinn ihrer Worte überhaupt verstanden hatte. Ich dagegen schon. Verdammt!
    Schließlich brummte Christoph zustimmend: „Da sind mit meinem künftigen Schwiegervater wohl sämtliche Pferde durchgegangen. Aber wie kriegen wir ihn da jetzt wieder runter? Ich will doch gar nicht sein Konkurrent sein! Im Gegenteil, ich kann mir vorstellen, ganz gut mit ihm auszukommen. Und ich könnte eine Menge von ihm lernen, er als selbstständiger Geschäftsmann ...“ Er zuckte mit den Schultern und fügte hinzu: „Frei nach dem Motto ‚Leben und leben lassen’.“
    Sonja schwenkte den letzten Rest ihres Kaffees ein paar Mal leicht in der Tasse, bevor sie ihn mit einem Schluck austrank. Dann sah sie mich wieder an:
    „Ich denke, Jann, du solltest ihm eine Art Friedensangebot machen, damit er sieht, dass du seine Sorgen erkannt und Verständnis dafür hast. Dass du nicht stur mit dem Kopf durch die Wand rennen willst, sondern bereit bist, auf ihn zuzugehen. Vielleicht findet ihr dann Zeit, euch gegenseitig zu öffnen und auch zu erklären. Allerdings finde ich, dass du das allein machen solltest. Christoph sollte da nicht mit dabei sein. Sonst würde das schlimmstenfalls wieder in einem Hahnen-kampf enden und die Fronten noch mehr verhärten.“
    Ich sollte mit meinem Vater allein sprechen?! Ohne meinen Lover im Rücken? Himmel, wie sollte ich das denn schaffen? Christoph schien meinen Schrecken und meine Zweifel sofort gespürt zu haben, denn er legte seine Hand auf meine und drückte sie sanft. Mit einem Zwinkern raunte er: „Wie ich es dir gesagt habe: du bist der Frontman von uns beiden!“ Ich lächelte gequält. 
    Sonja schien sich etwas zu überlegen, dann fügte sie hinzu: „Die beste Basis für ein Gespräch in Ruhe und vertrauter Zweisamkeit ist immer noch ein Glas Wein.“
    Ich schüttelte abwehrend den Kopf: „Mein Vater trinkt keinen Wein. Eigentlich gar keinen Alkohol. Höchstens mal ein Bier. Aber dann muss es schon ein gutes sein, nicht einfach eins aus dem Supermarkt.“
    An dieser Stelle schaltete sich Felix wieder ein. Offenbar hatte er doch die ganze Zeit sehr genau zugehört, obwohl er nebenbei Sonja angehimmelt hatte: „Ich weiß, wo es gutes Bier gibt. Da ist ein Spezialladen mit -zig verschiedenen Sorten. Nicht billig, aber mein Vater schwört drauf.“ Er beschrieb mir den Laden.

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