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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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und Komma:
    „Mensch, Jann, wo warst du denn die ganzen Ferien über? Ich habe hundertmal bei dir angerufen, aber es ging niemand ran, nicht mal deine Mutter! Bist du sauer auf mich? Tut mir leid, ich war so blöd zu dir, du weißt schon, auf der Schulfete. Ich hatte zuviel getrunken und, naja, die Situation war echt ungünstig.“ Stimmt, ich hatte ihn beim Fremdgehen erwischt! Ich schwieg noch immer.
    „Hör mal, Jann, das ist mir jetzt echt wichtig. Wir sind doch gute Freunde – ich meine, sind wir das noch?“ Er war die ganze Zeit neben mir hergetrabt; jetzt blieb er stehen und sah mich an. Ich blieb auch stehen und blickte zurück. Zum ersten Mal seit jenem verhängnisvollen Abend auf der Abschlussfete schaute ich ihm in die Augen, die Augen, die mich seit meinen frühesten Kindertagen begleitet hatten – und ich fühlte nichts als freundschaftliche Zuneigung, Wärme, Vertrauen. Gott sei Dank! Es hätte mich sehr verunsichert, wenn es anders gewesen wäre. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, und schließlich nickte ich zustimmend: „Wie geht es deiner Freundin?“
    Felix wirkte zunächst erleichtert, dann aber wieder bekümmert. „Na ja, das mit Nicole“ – das musste die Brünette gewesen sein – „das war ja nur an dem Abend. Weil Antonia nicht mitkommen wollte. Es war auch nicht besonders schön mit ihr. Du hast Recht, manchmal können Mädchen auch einfach zu weich sein.“
    Ich grinste in mich hinein. Felix wusste ja nicht, was ich jetzt wusste.
    „Tja, und mit Antonia ist jetzt auch Schluss, eben wegen der Sache mit Nicole. Ehrlich, Alter, das waren keine schönen Ferien.“ Er seufzte, ein bisschen zu theatralisch, wie ich fand. „Und wie war es bei dir?“
    Ich hatte mich schon seit Tagen gefragt, was ich Felix wohl auf diese Frage antworten sollte. Etwa in der Richtung: ‚Ich war bei meinem Cousin, wir sind miteinander ins Bett gegangen. Tut mir leid, Felix, aber ich stehe auf Männer’? Das hätte zwar den Nagel auf den Kopf getroffen, aber damit wäre ich ziemlich mit der Tür ins Haus gefallen.
    Stattdessen antwortete ich so neutral, wie es eben ging: „Ich war bei meiner Tante und meinem Cousin in München. Wir haben eine recht nette Zeit verbracht.“ Nach einem kurzen Bericht über die Stadt München und die Mädchen, die ich dort gesehen hatte (wobei ich mich sehr konzentrieren musste, um mich überhaupt an irgendwelche Mädchen in den Straßen und Eiscafés zu erinnern – ich hatte doch nur Augen für meinen Cousin gehabt!), fragte Felix auch nicht weiter nach. Mir war es erst einmal recht so.
     
     
    Die ersten beiden Unterrichtsstunden waren vergangen, der Organisationskrams und die Ferienberichte waren abgehan-delt. Eigentlich hätte man jetzt wieder nach Hause gehen und noch mal Ferien machen können. Das war aber leider nicht drin!
    Zur dritten Stunde erschien unsere Französischlehrerin. Ich mag zwar Französisch, aber nicht unsere Lehrerin, und deshalb war mir bisher auch die Grammatik dieser ansonsten so wunderbaren Sprache so unbekannt wie das Lehrbuch, das ich gerade gedankenverloren durchblätterte. Zunächst sah ich also gar nicht so richtig hin – vom Zuhören ganz zu schweigen – als Madame Laraît eintrat. Schließlich drangen ihre Worte aber doch an mein Ohr:
    „... in diesem Jahr eine Austauschschülerin aus Frankreich bei uns. Celine Dubêre, aus unserer Partnerschule in Brest. Sie wird uns ein Jahr lang hier Gesellschaft leisten, während Katrin Zimmer in Brest zur Schule geht. Austausch halt. Nehmt sie gut in eure Mitte auf. – Celine, ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg, und wenn dich jemand ärgert, gibt’s einen Aufsatz extra. So,  jetzt brauchen wir nur noch einen Platz für dich.“ Unsere Französischlehrerin redete nie lange um den heißen Brei herum, insbesondere nicht auf Deutsch.
    Felix stieß mich unsanft an, und zum ersten Mal schaute ich auf – und sah genau in Christophs Augen! Ach nein, doch nicht – mein Gott, was für eine Sinnestäuschung! Hatte ich schon Entzugserscheinungen, nach nur zwei Wochen?
    Neben Madame Laraît stand ein Mädchen. Das musste die Austauschschülerin sein – wie hieß sie gleich, Celine? Sie hatte ihren Blick direkt auf mich geheftet. Oder eigentlich auf den Platz vor mir, neben Konstanze, der frei war. Zielstrebig ging sie darauf zu. Je näher sie kam, desto unheimlicher wurde mir. Hatte ich sie schon einmal gesehen? Aber das konnte nicht sein! Ich war noch nie in Frankreich gewesen und in Brest,

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