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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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strubbeliges Blondhaar, während die andere wie zur Sicherheit noch immer auf seinem Po lag. Ich sah förmlich, wie es in seinem Kopf arbeitete. Dann verengten sich seine Augen zu zwei dunkelblauen Schlitzen, aus denen es mich misstrauisch anblitzte.
    „Habt ihr nur darüber geredet, oder habt ihr ...?“
    Ich holte tief Luft und richtete mich auf. ‚Jetzt, Jann, sag’ es jetzt oder schweige für immer.’ Christophs Kette lag kühl auf meiner Brust. „... es auch getan, ja.“ Mit festem Blick schaute ich ihn an. Seine Gesichtsmuskeln arbeiteten. Ich rührte mich nicht. Diese Sekunden waren entscheidend, und entweder machte ich jetzt alles richtig oder für immer falsch.
    Er drehte sich um, trat ans Fenster und starrte hinaus in den Regen. „Okay“, murmelte er, „okay, ganz ruhig jetzt. Was heißt das? Das heißt erstens, dass dein Cousin offensichtlich schwul oder zumindest bisexuell veranlagt ist, denn er hat es mit Frauen und Männern gemacht. Was sagtest du, wie alt er ist? Zwanzig? Hmm ... Zweitens, dass du entweder einfach nur neugierig warst und dich hast verführen lassen – oder drittens ebenfalls auf Männer stehst.“
    Mit erwartungsvoller Miene wandte er sich mir wieder zu, verlangte jetzt nach einer endgültigen Erklärung. Ich bewunderte seine Art, Probleme stets sachlich und analytisch anzugehen. Deshalb hatte er auch den Mathe-Leistungskurs belegt, während ich mich im Deutschunterricht mit Gedichten auseinander setzte.
    „Zweitens ist erstens, daraus wurde drittens, und erstens stimmt nur halb“, antwortete ich in einem kleinen Rätsel. Er sah irritiert und entmutigt drein, weshalb ich aufstand und zu ihm ans Fenster trat. Gemeinsam schauten wir in das trübe Grau. Zwischen uns war nur eine Handbreit Platz. Ich hatte damit kein Problem, aber Felix schien unruhig zu werden. Okay, offenbar brauchte er Zeit.
    „Du hast Recht, wenn du sagst, dass Christoph mit Frauen und Männern Sex hatte. Mit Frauen aber nur so lange, bis er sich darüber klar wurde, dass er dort nicht hingehörte. Sie waren ihm zu weich.“ Ich warf Felix einen vielsagenden Blick zu, den er auffing und verstand.
    „Ich habe mich anfangs von ihm verführen lassen, auch richtig, aber nur so lange, bis ich selbst merkte, dass das auch für mich die richtige Seite ist. Das war schon immer so, ich habe es nur nicht gewusst, oder nicht wahrhaben wollen. Jetzt habe ich mich entschieden.“ Mein Coming-out  klang gut, ich war zufrieden. Felix auch? Er war etwas blass um die Nase, schien aber ziemlich gefasst. Langsam schüttelte er den Kopf:
    „Ich glaub’s einfach nicht. Mein bester Freund – schwul! Und ich habe es nicht gewusst! Habe nichts bemerkt!“ Er seufzte. „Was wird denn jetzt mit uns? Ich meine, mit unserer Freundschaft?“
    „Was soll damit sein? – Ach so.“ Ich zuckte mit den Schultern.  „Hör mal, Felix, ich will nichts von dir. Ich bin mit Christoph zusammen. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich nicht auch einen guten Kumpel haben kann. Noch dazu, wenn das mein Sandkastenfreund ist. Klar?“
    Er nickte erleichtert. „Willst du mir jetzt von deinem Sommer erzählen? Ich meine, was ihr wirklich gemacht habt?“
    Ich überlegte für einen Moment, horchte tief in mich hinein. Wollte ich Felix von Christoph erzählen? Nicht alles, nicht jedes Detail, aber wenigstens ein bisschen. Vielleicht half mir das, selbst Klarheit in diese Geschichte zu bringen und es zu verarbeiten. Ich legte mich aufs Bett, den Oberkörper gegen die Wand gelehnt, die Beine aufgestellt, knautschte mir eins von Felix’ Kissen auf dem Bauch zusammen, und begann zu erzählen.

 
    III
    Dunkelheit. Wärme. Silbernes Licht zwischen blauen Schatten.
    Ich liege nackt auf dem Bett, seitlich, den Oberkörper auf den Unterarm gestützt; in einem Zimmer, das ich kenne, das aber nicht mein Zimmer ist. Ein Mann steht vor mir, ebenfalls nackt. Das lange Haar schimmert im Mondlicht. Ich beobachte fasziniert das Spiel seiner Muskeln, während er sich zu mir ins Bett legt. Er lehnt seine Stirn gegen meine, unsere Nasen berühren sich fast, sein Blick fängt meinen ein und hält ihn fest.
    Ein Blick aus Diamantaugen.
    Er streichelt mich, am ganzen Körper, eine Gänsehaut nach der anderen jagt über meine Haut. Plötzlich richtet er sich auf, kniet sich hin und zieht mich mit sich hoch, bis auch ich knie, mit dem Rücken zu ihm. Ich spüre seine Lenden an meinem Po, mir wird heiß und kribbelig vor Verlangen nach dem, was jetzt kommt.
    Aber

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