Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
Vom Netzwerk:
meine Lenden pressten und seine Hände, mit denen er meinen Po massierte.
    An diesem Punkt konnte ich es gewöhnlich nicht mehr aufhalten. Die Erinnerung und die Sehnsucht waren zu stark, die Erregung zu groß, der Drang nach Befriedigung mittlerweile unkontrollierbar. Also ließ ich es kommen, gab mich den süßen Schauern hin, die durch meinen Körper rannen, und sah dabei einfach nur in Christophs eisgraue Augen, die mich aus der Dunkelheit heraus voller Zärtlichkeit anschauten ...
    Hinterher hatte ich ein schlechtes Gewissen. Aber eigentlich nur ein ganz winziges. Ich wusste, dass Christoph abends in seinem Bett in Montreal dasselbe getan hatte, jeden Abend, immer mit mir in seinem Kopf. Letzteres hoffte ich zumindest ganz stark.
    Was würde morgen sein? Ich war jetzt etwas entspannter, denn wie immer durchströmte mich mit der sexuellen Befriedigung auch eine tiefe Zufriedenheit mit dem Rest der Welt, eine Art unumstößliche Zuversicht und Optimismus. Mit dem Glauben an einen guten, neuen Tag nach so einem netten Abend schlief ich ein – hoffentlich zum letzten Mal allein.

X
    Das Motorengeräusch des Flugzeugs war kaum zu hören, der Flug selbst verlief angenehm ruhig und ohne Störungen: ein sauberer Start, geringe Turbulenzen, als sie durch die dichte Wolkendecke über New York stießen und dann nur noch das leichte Vibrieren der Maschinen im Rumpf des Fliegers. Eigentlich hätte es ihn sofort in den Schlaf wiegen müssen. Aber dieses Mal nicht.
    Die Unruhe, die ihn schon seit über einer Woche quälte, ließ ihn auch jetzt nicht entspannen. Er versuchte es mit der Lektüre der Zeitschriften, die von den freundlichen Stewardessen ausgeteilt worden waren, hörte eine Weile über Kopfhörer die verschiedenen bordeigenen Musikkanäle durch und schaltete auch kurz seinen eigenen MP3-Player ein. Aber es half alles nichts. Nicht einmal der Film, der über die kleinen Monitore über den Sitzreihen flimmerte, konnte ihn fesseln, und dabei war das noch einer der neuesten Kinohighlights.
    Seine Gedanken flogen ihm voraus, waren bereits Tausende Kilometer vor ihm in München gelandet und irrten ziellos durch die Flughafenhalle. Was würde ihn dort erwarten - oder besser, wer?
    Als er Janns letzte E-Mail bekommen hatte, hatte er seine Entscheidung spontan getroffen. Er zweifelte auch jetzt nicht daran, dass sie prinzipiell richtig war. Jeden Tag hatte er in einem  Internetcafé in New York seine Mailbox abgerufen. Es war schon eine groteske Situation gewesen, wie er da in der Millionenstadt, dem Tor zur Welt, vor einem Rechner saß und auf eine Nachricht aus dem winzig kleinen, unbedeutenden Ort bei Braunschweig in Deutschland hoffte!
    Verzweifelt hatte er auf den Hinweis gewartet, den er brauchte, um zu entscheiden, in welche Richtung er sich wenden sollte. Dann endlich, in letzter Sekunde, hatte  Jann  ihm das langersehnte Zeichen gegeben, und zwar gleich dreimal und damit sehr eindringlich: den unbedingten Wunsch, dass er zurückkommen möge, weil er dem Freund wichtig war. Zumindest, dass der ihm etwas wichtiges sagen wollte. Was zum Teufel konnte das sein, dass er es ihm nicht per Mail oder Telefon mitteilen wollte? War es doch die Absage? Das gefürchtete „Tut mir leid, aber das mit uns wird doch nichts. Ich habe mich geirrt und jetzt einen anderen“? Oder noch schlimmer: „... eine Freundin“? Er schloss gequält die Augen.
    Wenn er Jann verlor, würde die Welt für ihn einstürzen.
    Dann würde es für ihn keinen Halt mehr geben, und auch seine Mutter würde es nicht mehr verhindern können, dass er gehen würde. Es war erschreckend, zu erkennen, wie sehr er sich an diese Liebe klammerte, aber es war nicht verwunderlich: die einzigen beiden Männer, die ihm bisher etwas bedeutet hatten, hatten ihn früher oder später verlassen: sein Vater vor fast drei, Falk vor einem Jahr, beide ohne Vorwarnung, ohne ein Wort des Abschieds. Das sollte nicht noch einmal geschehen! Wenigstens das nicht!
    Wenn Jann gehen wollte, dann sollte er es ihm ins Gesicht sagen, ihm dabei in die Augen sehen und ihm die Chance geben, darauf zu reagieren, statt einfach wortlos die Tür hinter sich zu schließen. Deshalb hatte er sich entschlossen, noch einmal zurückzukommen, was auch immer ihn erwarten würde. Und natürlich auch, um seiner Mutter in diesem Fall Lebewohl zu sagen, nicht ‚Auf Wiedersehen’.
    Er dachte an den Freund, der ihn in Gedanken über die Tausende Kilometer und durch die unzähligen Stunden, Tage, Wochen

Weitere Kostenlose Bücher