Wolkentaenzerin
Stimme klang beherrscht und aufbrausend zugleich.
»Wenn du schon mit Anschuldigungen des Diebstahls um dich wirfst, obwohl du eigentlich eines verloren hast, dann war es tatsächlich noch schlimmer, dir Elizabeths Bücher zu überlassen, als ich bisher vermutet hatte.«
»Sie mir überlassen ?!« Die Worte kamen wie aus der Pistole geschossen.
»Als wäre ich zu dir gekommen und hätte dich darum gebeten ! Als hätte ich das überhaupt gewollt!«
»Aber was auch immer du tust, Kate, versuch nicht, mir zu erzählen, was mein Recht ist und was nicht. Ich muss mich vor dir für nichts rechtfertigen. Wenn ich eins der Bücher hätte mitnehmen wollen, dann wäre das verdammt noch mal mein gutes Recht …«
»… und wenn du ein Problem damit hast, dann liegt das Problem bei dir und deiner Frau«, unterbrach sie ihn. »Weil sie genau das nicht wollte, dass du in ihren Büchern herumwühlst.«
Chris kam auf die Veranda und schüttelte mit einer Hand seine nassen Haare. Als er Kate hörte, blieb er stehen und zog die Augenbrauen hoch.
»Wag es ja nicht, mir zu sagen, was meine Frau gewollt hat«, dröhnte Dave ihr ins Ohr. »Du kanntest sie überhaupt nicht. Du hast sie nur benutzt, wenn du sie gerade brauchtest. Glaubst du, das habe ich nicht gesehen? Elizabeth hat es vielleicht nicht gemerkt, ich aber ganz bestimmt. Du bist dir so schlau und wichtig vorgekommen, weil sie zu dir aufgeschaut hat, und du hast sie wie eine Handlangerin behandelt, wie einen Babysitter-Service!«
Kate hielt sich am Verandageländer fest und legte los.
»Du hast keine Ahnung, wovon du redest! Wir haben uns gegenseitig geholfen. Die meiste Zeit warst du doch gar nicht da !« Ihr Schwall war nicht zu stoppen.
»Wenn du deine Frau so gut kanntest und alles so klar gesehen hast, wie kommt es dann, dass sie mit jemand anderem nach Kalifornien gehen wollte? Versuch du doch herauszufinden, was sie in Joshua Tree wollte. Mir reicht es nämlich. Mir reicht es mit euch beiden. Mich so zwischen euch zu stellen. Für mich ist das erledigt.«
Sie legte auf und warf das Telefon ins Gras.
Chris sah sie mit großen Augen an.
»Was zum Teufel ist los mit dir?«
Kate ging ein paar Schritte auf der Veranda, um ihren Atem und ihren Puls zu beruhigen, die ganz aus dem Takt gekommen waren, und lehnte sich dann an das Geländer.
»Dave hat eins von Elizabeths Tagebüchern mitgenommen, als er hier war. Das, in dem sie darüber schreibt, warum sie nach L. A. fliegen wollte. Er ist einfach reingegangen und hat es aus der Dachkammer geholt.«
Chris verdrehte die Augen und legte den Kopf in den Nacken; sein Ausdruck schien Herr, gibt mir Kraft zu sagen. Als er wieder zu Kate sah, lag Verwunderung in seinem Blick.
»Herrgott noch mal, es war ein Tagebuch seiner Frau. Ich an deiner Stelle würde sagen: Gott sei Dank bin ich es los. Ich würde es ihm überlassen, sich darüber Gedanken zu machen, wo seine Frau hinwollte. Es hat dich schon den ganzen Sommer über verrückt gemacht.«
»Verstehst du denn nicht? Ich war diejenige, die entscheiden sollte, was mit ihnen geschieht.«
Sie stampfte mit dem bloßen Fuß auf die Dielen.
»Sie hat sie mir anvertraut – das war alles. Und ich habe versagt.«
Emotionen schnürten ihr die Kehle zu, und sie wagte es nicht mehr, weiterzureden. Sie sah ihn an, als entginge ihm ein wesentlicher Punkt der Logik.
»Warum ist es dir so wichtig, sie voreinander zu schützen?« Chris beugte sich vor, um ihr in die Augen zu sehen, doch sie sah weg, als sich ihre Augen mit Tränen füllten. Er trat einen Schritt auf sie zu und nahm sie sanft bei den Schultern.
»Gib ihm die Tagebücher, und schließ damit ab. Warum bist du so darauf fixiert, es zu deinem Problem zu machen?«
Natürlich war es ihr Problem. Warum verstand er das nicht? Elizabeth hatte sie um etwas gebeten, und nun war sie es ihr zumindest schuldig, es wiedergutzumachen.
Wiedergutmachung.
Kate hörte auf, mit dem Fuß zu stampfen, und hielt inne vor Überraschung darüber, ihren inneren Antrieb so unerwartet klar zu sehen. Die Luft war zum Ersticken, selbst draußen, und drückend wie ein Schwarm Mücken. Sie stieß sich vom Geländer ab und ging die Verandastufen hinunter. Der Rasen erstreckte sich in dunklen Umrissen bis zum Meer.
»Ich gehe ein bisschen spazieren.«
»Kate«, bat Chris sie. »Komm schon. Lass es gut sein. Es reicht.«
Das Gras unter ihren nackten Sohlen fühlte sich dick und feucht wie Seetang an. Sie beschleunigte ihre Schritte,
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