Wolkentaenzerin
helfen sollte, sich in ihrer Aufgabe als alleinerziehende Mutter und im Umgang mit Alkohol und Trauer wieder zurechtzufinden. Das Bild war aus Emotionen entstanden, die die junge Elizabeth noch nicht verstehen konnte – dem Wunsch, den Anschein von Vollständigkeit wieder in ihr Zuhause zu bringen, eine Sehnsucht danach, das Leben wieder ins Lot zu bringen – nach einem Verlust, für den sie sich immer selbst die Schuld geben würde. Unter dem Porträt saß Anna zufrieden unter ihrer Namensvetterin und malte Regenbogen.
Über dem Stuhl, auf dem Jonah saß, hing das Ölgemälde der beiden Stadthäuser. Ein hell erleuchtetes Fenster zeigte eine Mutter, die ihrer Tochter die langen Haare kämmte, beide in nostalgisches Licht getaucht, während in dem Fenster daneben eine Feier in vollem Gange war. In dem festlich erleuchteten Fenster warf eine dunkelhaarige Frau den Kopf in ausgelassenem Gelächter zurück. Beinahe verschüttete sie Wein aus ihrem Glas, und die rote Flüssigkeit passte zu ihren Lippen und den Juwelen an ihrem Hals. An der gegenüberliegenden Wand hing ein Bild, das vorher noch nicht da gewesen war. In einem verregneten Hundeauslauf stand eine Promenadenmischung zwischen einem Rudel seidiger Golden Retrievers, O-beinig in einem Burberryjäckchen, und strotzte nur so vor Räude. Sein Gesicht war so ausdrucksstark, dass Kate das Bild betiteln konnte. Suchst du Ärger ?
Das hast du also daraus gemacht, dachte Kate. Hut ab!
Daneben hing noch ein neues Bild. Dave musste beschlossen haben, mehr von Elizabeths Arbeiten aufzuhängen. Kate stellte sich den Stapel vor, den Elizabeth an dem Abend durchgesehen hatte, als die Cocktail-Party ohne sie weiterging. Dieses Bild zeigte einige Dreiräder, die in einem Haufen übereinander abgestellt worden waren. Doch als Kate die undeutliche Lavierung aus Speichen und Stangen betrachtete, traten daraus Formen hervor wie aus Wolken. Die Vorderräder wurden zu Kindergesichtern und die Lenkstangen zu länglichen Hasenohren. Der kompakte Bogen jedes Rahmens lief in winzige Rädchen, die wie Füße gekrümmt waren – eine mystische Wirkung, wie kleine im Schlaf zusammengerollte Körper.
Kate sah auf die Soße. In jemandem, der einem nahestand, das Wesentliche nicht zu erkennen, war eine Art Negierung, selbst wenn man es nicht verstehen konnte; Kate kannte das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Es hatte kleine Zeichen gegeben, doch sie hatte sie nicht sehen wollen. Es war einfacher gewesen, die einfache, pragmatische Version von Elizabeth zu akzeptieren. Doch es spielte auch etwas anderes hinein: Elizabeth hatte sich enorm darum bemüht, diese Version zu erschaffen. Letztendlich musste man die Verantwortung dafür übernehmen, was man der Welt zeigte und was nicht.
»Neeiin! Ich benutze grade Rot! Du kannst es nicht haben!«, kreischte Anna am Tisch.
»Aber du pampst darin rum und mischst voll viel Weiß rein!«
Jonah lehnte sich über den Tisch, schnappte sich den besudelten roten Behälter und stieß dabei seinen Becher mit schmutzigem Malwasser um. Braune Flüssigkeit breitete sich über den Tisch und ihre beiden Bilder aus und tropfte dann auf den Boden. Als es ihr Bild bekleckerte, begann Anna zu weinen.
»Schon gut, schon gut, alles in Ordnung«, beschwichtigte Kate und ging mit einer Rolle Küchenpapier an den Tisch, wo sie versuchte, das überschüssige Wasser von ihren Bildern abzutupfen. Sie wischte den Tisch ab und versuchte, wieder Ruhe herzustellen, bevor Dave herunterkam. Sie würden vermutlich zu Abend essen und reden, wenn die Kinder im Bett waren. Sie hatte keine Ahnung, wie sie anfangen sollte. Ich glaube nicht, dass Elizabeth … Du hattest recht damit, dass Elizabeth nicht … Elizabeth ging es nicht gut . Alles hörte sich zu sehr nach Verkündung an, als gehörten Elizabeths Fakten Kate. Nichts gehörte Kate. Ihre besitzergreifende Wut, die sie dazu gebracht hatte, nach dem Telefon zu greifen und Dave zu beschuldigen, das Tagebuch genommen zu haben, war ihr nun unangenehm.
Emily tapste herüber und zog ihren Becher mit dem Schnabel nach unten durch das braune Wasser auf dem Fußboden.
»Oh, igitt, Em, nicht mit deinem Becher. Warum spielst du nicht hier weiter?« Kate setzte sie ein Stück weiter und gab ihr Küchenutensilien zum Spielen. Als sie Emily die Schnabeltasse wegnahm, um sie sauberzumachen, begann Emily zu heulen.
Dave tauchte in sauberem T-Shirt und kurzer Hose auf.
»Was ist aus unserer Kumbaya-Stimmung geworden? Eben
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