Wolkentaenzerin
Ahnung haben, wovon sie sprach, oder er wusste es ganz genau, aber das wollte sie nicht beurteilen. Draußen schaltete der Taxifahrer seine Innenbeleuchtung ein und sah hinüber zum Haus. Dave legte die Hand auf den Türgriff. Sie würden nicht mehr über Elizabeth reden.
Kate ging an ihm vorbei und lehnte sich für eine kurze Umarmung an ihn. Er legte ihr die Hand unten auf den Rücken. Einen Augenblick lang standen sie so, dann löste sie sich wieder. Er stieß die Fliegengittertür auf.
»Vielleicht komme ich diesen Herbst mal mit den Kindern nach Washington«, schlug Dave vor. »Ein paar Museen besuchen. In den Zoo gehen und das Einkaufszentrum und so was.«
»Das fänden sie bestimmt toll. Und James und Piper auch.«
Sie ging durch die Tür. »Es bleibt bis November noch warm. Ihr solltet kommen.«
»Gut, dann machen wir das vielleicht.«
Das Fliegengitter klappte zu, als er es losließ. Er lehnte sich innen an den Türrahmen und verschränkte die Arme.
Kate ging über den Rasen zum Taxi und spürte Daves Blick noch auf sich, als sie hinten in den Wagen stieg. Der Vinylbezug war rissig und kratzte an den Beinen, so dass sie wieder näher ans Fenster rückte, wo er weicher war. Sie blickte auf und sah, wie sich die Haustür der Martins schloss und dann die Lampe auf der Veranda, wo sie Elizabeth mit ihren alten Pflanzen und Fischen beladen hatte, erlosch. Doch als das Taxi losfuhr, sah sie noch immer den Umriss eines Mannes hinter dem hohen Flurfenster, eine Gestalt über einer aufgebrochenen Kiste, die das Vermächtnis seiner Frau enthielt.
Der Zug glitt durch New Jersey. Düstere Industriegebäude dominierten die Landschaft, Kräne und Baugerüste verschwammen im Dunkeln und in der Ferne und sahen weniger hässlich als von nahem aus. Die Motoren wurden an einer Brücke gedrosselt, und das Staccato, als sie darüber fuhren, hallte in dem weiten Raum zwischen Wasser und Himmel wider. Der Ruf war klagend, und doch wog es diejenigen sanft, die keine Angst vor dem hatten, was sie nicht kontrollieren konnten, oder die auf dem Weg dorthin waren, keine mehr zu haben.
Dreiunddreißig
Das Taxi ließ Kate am Bordstein aussteigen, und sie blieb einen Augenblick in ihrer Einfahrt stehen. Das Haus war bis auf ein schwaches Licht im Wohnzimmer dunkel. Sie suchte in ihrer Umhängetasche nach dem Schlüssel. Portemonnaie, Telefon, Stift. Dann ein Stück Papier. Sie zog es heraus und hielt es unter das Licht der Straßenlaterne. Es war ein weißer Zettel, ein Blatt von einem Rezeptblock mit Elizabeths Namen im Feld für den Patienten. Er musste aus dem letzten Tagebuch gefallen sein, das Kate nochmals im Auto gelesen und dann bei den Martins wieder zurück in die Truhe gelegt hatte. Das Rezept war für unlesbare Milligramm von etwas ausgestellt, das mit einem P begann und in der Mitte ein x hatte. Es war von einem Arzt verschrieben worden, dessen Vorname mit einem N begann. Natalie … Nadine … Nadia.
Es mochte einfach irgendeine Verschreibung sein. Für etwas, das mit ihrer Krankheit zusammenhing. Etwas, das ihr beim Schlafen half. Oder es war möglicherweise etwas vollkommen anderes. Kate hielt den Zettel in der Hand und dachte darüber nach, wohin Elizabeth gegangen war oder auch nicht, wo sie offen reden konnte. Dann zerknüllte sie den Fetzen und steckte ihn zurück in ihre Tasche.
Sie betrat leise das Haus und stellte ihre Tasche ab, ging dann den Flur entlang zum Wohnzimmer, wo sie Chris vorfinden würde, wahrscheinlich vor seinem Laptop eingeschlafen. Doch das Zimmer war leer. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und stieg die Treppe hoch, um nach den Kindern zu sehen. Sie ging zuerst zu Piper. Das Mädchen lag quer auf seinem Kissen zusammengerollt, wie eine Katze, und sein schnurrendes Schnarchen wurde leiser, als Kate es zurück unter die Decke schob. Dann ging sie zu James ins Zimmer. Sein Arm war angewinkelt, als würde er darauf warten, etwas zu umarmen, und Kate hob den Stoffdinosaurier vom Boden auf und legte ihn an seinen Ellenbogen. James rührte sich nicht. Seine entspannten Wangen und Lippen waren so rund wie bei einem Kleinkind, auch wenn seine dünnen Beine, auf der Decke überkreuzt und übersät mit Kratzern aus dem Urlaub, überraschend lang waren.
Kate ging in ihr Schlafzimmer, bevor sie überhaupt unten abschloss oder sich ausgezogen hatte, um sich neben Chris zu legen. Sie würde sich an seinen Rücken schmiegen und ihr Kinn in die Mulde zwischen Hals und Schultern legen, und wenn er
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