Wolkentaenzerin
ihrem Geschmack zwar zu weiblich war, Chris aber gern an ihr mochte. Sie würden ein Glas Wein trinken, die Leute an der Bar beobachten und sich ungestört über Gott und die Welt unterhalten, wie in alten Zeiten. Kates schräger Sinn für Humor wäre wieder da, und Chris würde sie mit dem entspannten Lächeln ansehen, das nichts mit seiner Arbeit zu tun hatte, und wenn sie zum Bungalow zurückkamen, würden sie schnell die Babysitterin bezahlen und vorm Zubettgehen keine Zahnseide benutzen.
Doch die Skepsis schlich sich wieder ein, dieses Gefühl, dass keine Sache hielt, was sie versprach, also wozu das Ganze? Es war dieselbe Zerrissenheit und Enttäuschung, die sie vor ein paar Wochen empfunden hatte, als sie mit Freundinnen essen gegangen war. Sie mochte die Frauen wirklich, es waren Mütter aus Pipers Vorschule, aber sie hatte sich den ganzen Abend lang fehl am Platz gefühlt. Sie konnte sich nicht auf das Gespräch einstellen, und ihre Antworten schienen immer knapp danebenzuliegen. Renovierungen im Eigenheim waren nie ihre Stärke gewesen. Aber selbst als sie über die Aktivitäten ihrer Kinder gesprochen hatten, hatte sie vergeblich nach etwas gesucht, das sie hätte beitragen können. Nichts davon war von Bedeutung. Sie wurde einfach das Gefühl nicht los, sich auf nichts verlassen zu können.
Seit Elizabeths Tod ging ihr das so, aber anstatt dass dieses Gefühl mit der Zeit verblasste, verstärkte es sich. Manchmal war es wie ein Nebel, als hätte sie nichts im Kopf, das sich mitzuteilen lohnte; manchmal war es eine steigende Panik davor, dass jeden Moment etwas gänzlich schiefgehen könnte. Sie hatte sich immer Gedanken um die Sicherheit ihrer Familie gemacht, doch jetzt war es anders. Überall und nirgends lauerten Gefahren, unmittelbar und doch schwer greifbar, und niemand war darauf vorbereitet. Als ob nur Kate allein die Fährte aufnahm, so unmerklich wie der metallische Geruch, der in der Luft hing, kurz bevor es zu regnen anfing.
Mit Chris hatte sie nicht darüber geredet. Sie wusste nicht wie. Seine Antwort konnte sie sich allerdings schon vorstellen. Nachdem er aufgehört hätte zu grinsen – denn mit Sicherheit würde er erst einmal glauben, dass sie nur Spaß machte –, würde sein verständnisvoller Blick sich in Mitleid verwandeln. Er würde ihr vorschlagen, öfter rauszugehen, ins Fitnessstudio, um wieder zu schwimmen, oder vielleicht einem dieser Netzwerke für Köchinnen beizutreten. Möglicherweise würde er es auch als Bestätigung dafür sehen, dass sie doch diese neue Stelle antreten sollte, weil es sie verrückt machte, nicht zu arbeiten. Oder noch schlimmer, er würde bei sich denken, dass sie zu verrückt war, um zu arbeiten, und dass sie sich »jemanden zum Reden« suchen sollte, weil es doch eine große Sache war, eine Freundin zu verlieren, und, nun ja, vielleicht hatte das Danach sie auch ganz besonders hart getroffen. Falls er so etwas tatsächlich vorschlug, wäre das gewaltig: er, der Typ Mann, der sich immer aus eigener Kraft wieder aufrappelte und in dessen Wortschatz der Begriff Therapie nicht existierte. Gerade davor hatte sie Angst: nicht vor professioneller Hilfe – daran hatte sie auch schon gedacht, es aber nicht für nötig gehalten –, sondern davor, dass Chris sie ansah und für labil und schwach befand.
Es war schon lange her, seitdem sie gemeinsam essen gegangen waren, nur sie beide. Sie konnte sich die stockende Unterhaltung vorstellen, ein Satz nach dem anderen, der im Schweigen verhallte, bis sie schließlich darüber plauderten, wie das Wetter am nächsten Tag werden sollte und ob sie an den Strand gehen würden. Zu Hause vergingen ganze Abende, an denen sie sich wortlos umeinander herum- und aneinander vorbeibewegten, stundenlang in ihre eigenen Angelegenheiten vertieft. Sie war dankbar für ein paar Stunden, in denen sie sich still konzentrieren konnte, aber gelegentlich spürte sie den Verlust stiller Zweisamkeit, gleichgesinnten Schweigens. Ihr Alltag war so unterschiedlich, dass sie nicht mehr beurteilen konnte, ob sie Gleichgesinnte waren.
War es möglich, fragte sich Kate, zusammen und dennoch allein zu sein? Sie versuchte sich vorzustellen, wie Chris reagieren würde, wenn sie nach dem Essen mit ihrem Buch oder Laptop in sein Büro kam und sich dort auf das Sofa setzte anstatt ins Wohnzimmer, so wie sie es in den ersten Jahren getan hatte. Er würde möglicherweise überrascht von seinem Bildschirm aufsehen und sie dann lächelnd
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