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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
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interessierte.
    »Ich dachte mir, dass wir vielleicht auch einen Urlaub daraus machen könnten. Wir könnten mit den Kindern bei Mount Rainier wandern gehen und mit der Fähre nach Vancouver Island fahren. Kanntest du nicht jemanden aus der Schule, der dort ein Bed and Breakfast aufgemacht hat?«
    Der Kellner kam mit ihren Vorspeisen und stellte eine Schüssel gedünstete Muscheln vor Chris auf den Tisch und einen Rote-Bete-Salat mit Gorgonzola vor Kate. Die gewürfelte Rote Bete färbte das Weiß des blau geäderten Käses blutrot.
    Sie stellte sich vor, wie sie James und Piper nach Seattle mitnahmen, auf den Fischmarkt gingen und dann nach Mount Rainier fuhren, wo sie auf Wanderwegen in die dünnen Wolken hochmarschierten. Sie würden die Fähre über den Puget Sound nach Kanada nehmen, an den Regierungsgebäuden und vertäuten Jachten vorbeischlendern und zum frühen Abendessen in das Hotel gehen, das wie ein Schloss aussah. Möglicherweise würde es ihnen so sehr gefallen, dass sie blieben. Als Kate mit Anfang zwanzig gereist war, hatte sie wie die meisten ihrer Bekannten das kanadische Ahornblatt auf ihren Rucksack genäht, um mit dieser altbekannten Taktik antiamerikanische Reaktionen im Ausland zu vermeiden. Ihre Kinder würden mit reinem Gletscherwasser aufwachsen und ihre Sätze bald ständig wie Fragen klingen lassen. Sie wären sicher vor all jenen, die gegen den umstritteneren Nachbarn im Süden Krieg führten. Kate aß ein Stück Rote Bete und leckte die roten Zinken ihrer Gabel ab.

    Chris bestellte den Nachtisch und reichte dem Kellner die Karte. Kate trank den letzten Schluck Wein, ihr zweites Glas. Ein prickelndes Gefühl stieg in ihr auf, ihre Kopfhaut kribbelte, die Finger, die Lippen, alles fühlte sich schwerelos und lebendig an. Die Sorgen vom Morgen schienen albern. Es ging ihnen gut. Ihr ging es gut. Sie musste vielleicht nur etwas öfter rauskommen; so einfach war das.
    Chris lehnte sich zurück und legte die Hände gefaltet auf den Bauch. »Du hast gestern wieder ganz schön lange die Tagebücher gelesen.«
    Kate griff nach der Weinflasche und goss erst ein wenig in ihr eigenes Glas und dann den Rest in seines.
    »Es ist seltsam, zu lesen, was jemand von seinem Leben erwartet, wenn er noch keine Ahnung hat, was tatsächlich passieren wird. Elizabeth hat früher total für Kunst geschwärmt. Sie wollte Malerin in New York werden.«
    Chris schob sein Glas vor und zurück und beobachtete, wie der Wein darin hin und her schwappte. Mit einem Blick über die Terrasse fragte er: »Weißt du schon, was sie mit diesem Michael zu tun hatte?«
    Darum ging es letztendlich immer. Das Einzige, das im Leben einer achtunddreißigjährigen Frau interessierte, war nicht, was sie getan hatte, sondern wovon sie niemandem erzählt hatte.
    »Nein«, antwortete Kate, »ich bin immer noch bei den Highschooljahren. Wirklich traurig. Sie war ein ziemlich einsamer Teenager und hatte kein besonders gutes Verhältnis zu ihren Eltern.«
    »Das hört sich gar nicht nach Elizabeth an.«
    »Ich weiß. Es ist, als ob ich etwas über eine Fremde lese.«
    Die Spielgruppe war von der Anlaufstelle für Zugezogene bunt zusammengewürfelt worden. Kate hatte die anderen sieben Mütter zuerst ein wenig übertrieben gefunden, zu früh am Morgen zu sehr zurechtgemacht, und ihre Unterhaltungen waren belanglos. Über die drei Jahre jedoch, die Kate Teil der Gruppe war, hatte sich eine Kameradschaft entwickelt: Partys zu besonderen Anlässen, vorgekochte Mahlzeiten in Krisenzeiten. Kate hatte sich Elizabeth am nächsten gefühlt. Bei ihr hatte sie nicht mit aller Macht versucht, das Schweigen zu überbrücken, wenn es eigentlich nichts Bestimmtes zu sagen gab. In diesem Schweigen hatte sie ein stummes Einvernehmen gespürt, sie wusste gar nicht genau, worüber eigentlich. Es waren grundsätzliche Übereinstimmungen, die das Wichtige im Leben betrafen. Doch Schweigen konnte, genauso wie Alleinsein, Behagen oder Unbehagen bereiten, konnte verschiedene Wahrheiten bergen.
    »Ich kann immer noch nicht fassen, dass sie mir nie von ihrer Schwester erzählt hat.«
    Kate dachte Affäre , als sie »Schwester« sagte.
    »Vielleicht hatte sie sich einfach daran gewöhnt, es für sich zu behalten. Oder es gab nie den richtigen Zeitpunkt. Unser Finanzchef hat mir auch erst nach Jahren erzählt, dass er Alkoholiker und trocken ist.« Chris dachte kurz nach. »Erinnerst du dich an Andy, unseren Kommunikationsleiter?«
    »Klar, das ist der, mit dem wir

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