Wolkentaenzerin
hob die Tischdecke am Saum an, als der Sommelier den Wein öffnete und Kate einen Fingerbreit einschenkte. Sie schwenkte das Glas nur leicht, weil sie es nicht leiden konnte, wenn man seine Weinkenntnisse zur Schau stellte, und nickte, nachdem sie den Wein probiert hatte. Der Sommelier schenkte ihnen zwei Gläser ein und ließ sie allein.
Die Außenterrasse war neu, ein Anbau wie auch die Lounge, die nach guten Kritiken in überregionalen Gastronomiepublikationen angebaut worden war. Um die geflieste Fläche herum standen kegelförmig gestutzte Büsche und verhinderten, dass die Gäste mit ihren Stühlen im Gemüsegarten landeten. Kate und Chris waren vom Oberkellner zu dicht am Koi-Teich platziert worden. Sollte Kate aus Versehen ihr Messer fallen lassen, würde es wie eine Harpune ins Wasser eintauchen.
Im letzten Sommer hatte es dort, wo sie jetzt saßen, nur vier Tische mit Blick auf Hochbeete voller Blumen und Reihen verschiedener Salatsorten gegeben. Die Tische waren so angeordnet gewesen, dass Chris beim Dessert eine Hand unter ihr Kleid gleiten ließ und seine vom Weinglas kühlen Finger kleine Wasserperlen auf ihrem Oberschenkel hinterließen.
Chris lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, ein Stuhlbein nur Zentimeter vom Teichrand entfernt, und lächelte. Er genoss es, wenn sie den Wein bestellte und souverän die Menüauswahl traf. Kate konnte seine Freude daran erkennen, wie er jede ihrer Bewegungen verfolgte, ihre Hand auf dem Glas, ihre Lippen am Glasrand; sie spürte seinen Blick auf ihrem Hals, als sie einen Schluck Wein kostete. Er kratzte mit dem Fingernagel am Korken und sah sie über den Tisch hinweg an.
»Das Kleid gefällt mir. Du siehst schön aus heute Abend.«
»Du auch.«
Sie meinte es ernst. Der Sommer stand ihm gut. Obwohl er kupferfarbenes Haar hatte, bräunte ihn die Sonne mehr, als dass sie sein Gesicht rötete, und brachte goldene Strähnen in seinem grau durchzogenen Haar hervor. Der Hemdkragen umrahmte seinen starken Nacken, und sein Kinn war noch immer markant. Jegliches Gewicht, das er zugenommen hatte, nachdem er mit dem Rauchen aufgehört hatte, war er durch vernünftige Ernährung und Bewegung wieder losgeworden.
Sie warf einen Blick auf seine Schuhe, braune Loafers.
»Die Ökosandalen hast du heute Abend zu Hause gelassen?«
»Gefallen sie dir nicht? Ich dachte, die wären genau dein Ding.«
Er streckte einen Fuß neben dem Tisch aus. »Habe ich auf dem Seattle-Trip letzten Monat gekauft. Das Hotel hat mit einem dieser Teambuilding-Kurse im Hochseilgarten gedroht.«
»Die findest du doch toll.«
»Genau wie Sich-im-Kreis-fallen-Lassen und tiefsinnige Gespräche am Lagerfeuer führen.«
Sie lächelten sich wissend an, den gleichen Gedanken im Kopf über erzwungene Nähe in einer Gruppe.
Lärm aus der Lounge drang durch die Tür zu ihnen, die geselligen Geräusche einer Runde, in der jeder jeden kennt. Hinten auf der Terrasse war es ruhiger. Glühwürmchen leuchteten hinter den Formschnitthecken, und ein leichter Wind ließ die Leinenserviette in Kates Schoß rascheln. Die Kois ruhten, schnellten vorwärts und verharrten wieder.
Chris faltete die Hände auf dem Bauch und sah Kate mit einem Ausdruck an, den sie als erwartungsvoll deutete. Es gab nichts zu sagen, und sie lächelte. Die Sekunden verstrichen, während sie weiter nachdachte und lächelte, und ihre Lippen fühlten sich wie aus Holz geschnitzt an.
»Was ist los?«, fragte Chris.
»Was? Nichts. Wieso?«
»Du bist so still.« Er sah über die Terrasse, und erneut entstand eine Pause. Sie war an der Reihe. Hitze stieg an ihrem Hals auf, und sie legte kühlend die Finger darauf.
»Wie läuft es denn mit dem Projekt in Seattle?«, setzte sie an. »Macht ihr es?«
»Wahrscheinlich schon. Der Standort ist großartig. Es muss ein bisschen renoviert werden und wird ziemlich viel Marketing brauchen, aber es könnte funktionieren.«
Auf der anderen Seite der Terrasse klapperte ein Tablett, ein Glas zerbrach, und eine Frau wich vor den Spritzern zurück. Ausrufe über ein Kleid wurden laut, Entschuldigungen ausgeteilt und eilig Mineralwasser herbeigebracht. Noch ein paar Augenblicke lang vernahm man Gemurmel. Kate sah Chris an, und angestrengt versuchte sie, sich das Gesprächsthema wieder ins Gedächtnis zu rufen.
»Heißt das, du wirst oft dorthin fahren müssen?«
»Wahrscheinlich noch ein paarmal. Aber immer nur kurz.«
Er lächelte belustigt, wusste er doch, dass sie sich gar nicht so sehr für das Projekt
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