Wolkentaenzerin
Instandsetzung war. Sie waren nur einen Tag und eine Nacht dortgeblieben, und als sie in die Stadt gefahren waren, um essen zu gehen, war ihr Taxi an verblassten rosafarbenen Gebäuden im Kolonialstil vorbeigefahren, deren abgebröckelte schmiedeeiserne Tore mit Vorhängeschlössern versehen waren. An den Zäunen hingen Plakate des öffentlichen Dienstes: »Montag Blutspende!« und: »Schütz dich: Mach’s mit Gummi!« Sie hatten auf der Terrasse in einem Restaurant auf dem Parliament Square, das von Einwanderern geführt wurde, verkochte Hummerschwänze in saurer Champagnersauce gegessen. In der Nähe saßen Amerikaner, deren ungehöriges Gebaren ihre Auffassung kundtat, dass ihnen hier alles zustand. Danach hatten Kate und Chris sich im Dunkeln an den Strand hinter ihrem Hotel gesetzt. Sie hatten sich für einen Platz im Sand und gegen die verrosteten Liegen entschieden und saßen wortlos unter Palmwedeln, die wie Girlanden flatterten. Und da hatte Chris genau das gleiche Lächeln gehabt wie jetzt.
Woher kommt diese gute Laune?, hatte sie an dem Abend gefragt, weil es sie überraschte, dass er nicht enttäuscht über dieses fruchtlose Reise-Unterfangen war.
Was spricht gegen gute Laune? Ich bin hier mit dir . Und dann hatte er gelächelt, als wäre es selbstverständlich, dass das vollkommen genügte.
Wenn Kate erkrankt wäre, bevor sie verlobt waren, wenn sie eine Diagnose wie Elizabeth erhalten hätte, hätte Chris alles stehen und liegen gelassen und wäre zu ihr geeilt. Sie lehnte sich vor, die Unterarme auf den Knien, und betrachtete die Sandkörnchen in den rostbraunen Haaren auf seinen Beinen. Dessen war sie sich sicher.
»Was war mit dir los?« Chris holte sie aus ihren Gedanken. »Eben im Haus.«
Kate war erstaunt, seine Stimme zu hören. Sie hatte gedacht, dass er beinahe schon schlief. »Was meinst du?«
»Das mit der verfrühten Dusche. Du, ganz in Lady-Macbeth-Manier, wie du die Kinder abschrubbst.« Er klang unbeschwert, flapsig.
Sie wollte eigentlich einen Witz machen. Sie hatte immer etwas parat. Aber jetzt fiel ihr nichts ein. Was, wenn sie dieses eine Mal nicht ihre Spuren verwischen würde und einfach die Wahrheit sagte? Sie versuchte es sich vorzustellen. Jeden Tag würde er ihren Zustand abwägen und prüfen, ob er Anzeichen von Paranoia entdeckte, die überhand über ihren Verstand nahm. Er würde sie nicht mehr vollständig als ihm ebenbürtig ansehen können. Sein Mitgefühl, wenn auch in guter Absicht, würde sie von ihm entfernen, und er würde sie mit Samthandschuhen anfassen. Sie erschauderte in der Sonne.
Doch was, wenn sie ihn unterschätzte? Was, wenn sie erst von Tularämie erzählte und dann fortfuhr? Er würde die Stirn runzeln, weil er es nicht nachvollziehen könnte, aber er wäre besorgt, weil er sie liebte und weil das, was sie beschäftigte, auch ihn betraf, sie alle. Die ganze Energie und Anstrengung, es zu verbergen, würde freigesetzt werden.
Sie nahm ihre Sonnenbrille ab und sah ihn an. »Weißt du noch damals, Tularämie?«
Er schirmte sich mit der Hand die Augen ab, um die Kinder am Wasser im Blick zu haben. Piper durfte nicht tiefer als bis zu den Knien ins Wasser, wenn keiner von ihnen dabei war. Er wandte sich zu Kate und gab mit dem Kinn ein Zeichen, dass er ihre Bemerkung gehört hatte. Er grinste leicht.
Ein Grinsen hatte sie nicht erwartet. Sie wartete auf seine Frage oder einen Kommentar, der die Tür zu allem anderen aufstoßen würde. Oder darauf, dass er zurückwich, wenn er merkte, dass sie kompliziert geworden war. Doch er sah weiter den Kindern zu.
Allmählich begriff sie, dass er sie missverstanden hatte. Er dachte, sie hätte einen Witz gemacht. Weißt du noch, Tularämie . Sein Grinsen hieß: Der war gut . So erbärmlich war sie mit ihren lähmenden Ängsten. Sie setzte ihre Sonnenbrille wieder auf und sah ebenfalls zum Wasser.
Die Kinder riefen ihnen von der Küstenlinie aus zu.
»Kommt spielen, spielt mit uns in den Wellen.«
Chris stand langsam auf, streckte die Arme über dem Kopf aus und streckte sich, dass sein Rücken leicht knackte.
»Kommst du?« Er lächelte und hielt Kate eine Hand hin, um ihr aufzuhelfen.
Sie blieb den Bruchteil einer Sekunde sitzen und nahm dann seine Hand. »Klar.« Sie stand auf und warf ihr Buch in die Strandtasche, folgte Chris und ließ die Tasche offen im Sand liegen.
Montag, 13. Juni 1994
Hatte heute Nachmittag meinen Arzttermin. Bevor wir Behandlungsmethoden besprachen, fragte sie mich, ob die
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