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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
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die Woche, aber es ging ja nicht um die Stundenanzahl oder das Geld. Es ging nicht mal um die Termine mit Kunden ab und zu echte Erwachseneninteraktion, obwohl das natürlich toll war. Es ging um Identität, etwas, das mir gehörte, den Augenblick um ein Uhr nachts, der hinter der Idee stand, die dann verwirklicht wurde und nichts mit Dave oder den Kindern zu tun hatte. Ich habe einfach das Gefühl, die Tür zu diesem Teil meines Lebens ist zugefallen.
23. Mai 1998
Habe mein Portfolio und meine Milchpumpe nach Manhattan geschleppt und einen Junior-Vize durch vier verschiedene Kampagnen geführt, die ich entworfen habe. Aber ich konnte schon nach der Hälfte der Zeit spüren, dass er mir nur aus Höflichkeit zuhörte. Es ist einfach so, dass heutzutage nicht mehr viele Agenturen freie Mitarbeiter beschäftigen, und die, die es noch tun, vergeben ihre Aufträge an ehemalige Mitarbeiter. Alle wollen eine bekannte Größe; nichts nervt mehr als ein Freelancer mit alter und unzuverlässiger Technologie, außer eine Freie, bei der die Kinder im Hintergrund heulen. Es wird vielleicht bald eine Vollzeitstelle bei ihnen frei, und ich soll mich in einem Monat noch mal melden. Aber Vollzeit kommt für mich natürlich nicht in Frage.
Ich habe mich mit einem Lächeln verabschiedet und ihm eine meiner neuen Visitenkarten gegeben. Ich habe welche drucken lassen, damit man sieht, dass ich es ernst meine mit meiner Freiberuflichkeit und nicht nur zwischen Tür und Angel arbeite, wenn die Kinder gerade schlafen. Als ich an der Straße den Arm hob, um ein Taxi heranzuwinken, spürte ich eine feuchte Brise auf meiner Bluse. Ich habe an mir heruntergeguckt und Milchflecken entdeckt. Nasse Flecken so groß wie ein Vierteldollarstück und so sichtbar wie Pasties mit Quasten auf den Brüsten einer Stripperin. Ich könnte durchdrehen, wenn ich darüber nachdenke, wie lange sie wohl schon da waren. Als ich in der Grand Central Station ankam, rannte ich zu den Toiletten, um abzupumpen. Ich musste mit der Pumpe auf Batteriebetrieb in einer Kabine hocken. Sie keuchte so laut, dass ich mir schon denken kann, was alle gedacht haben. Ein elektrischer Rasierer? Ein Vibrator? Vor dem Vorstellungsgespräch letzte Woche musste ich in einer Abstellkammer abpumpen.
Nachdem ich knapp 200 ml abgefüllt hatte, musste ich schnell ins Hauptgebäude rennen, um meinen Zug nicht zu verpassen, und als ich auf die Anzeigetafel hochschaute, bin ich mit voller Wucht mit jemandem zusammengestoßen. 200 ml Milch, überall verteilt. Dann hat mich der Babysitter angerufen, um mir mitzuteilen, dass Anna Hunger hat, aber nicht die Flasche nehmen will, wann ich denn zurück sei.
Im Zug habe ich mit dem Gesicht zum Fenster geweint. Was mache ich mir eigentlich vor? Man kann die gesamte Pflicht und Kür durchgehen und versuchen, Mutter Natur auszutricksen, all die aufwendigen Geräte und Pillen und Pumpen und Babysitter, und doch gewinnt zuletzt immer die Biologie.
20. Juli 1998, Mitternacht
Ich habe Kate gebeten, auf die Kinder aufzupassen, habe einen Arzttermin am späten Nachmittag vorgeschoben und bin zum Copyshop gegangen, um noch ein paar Sachen zu meinem Portfolio hinzuzufügen und ein paar Bewerbungen abzuschicken. Bevor ich rausging, habe ich ein paar T-Shirts und Hosen in einen Müllsack geworfen. »Was ist das?«, hat sie gefragt, und es war ganz einfach: Ich bringe noch Sachen zur Altkleidersammlung.
Von der Post bin ich auf den Highway gefahren. Habe das Fenster runtergekurbelt, das Schiebedach aufgemacht und irgendeine schreckliche, betäubende Musik laut aufgedreht, die ich nicht einmal kenne. Fuhr an der ersten Abfahrt vorbei, dann an der nächsten und der nächsten. Rauf auf die Bruckner Schnellstraße und die Musik noch lauter, bis ich den Bass im Brustbein spüren konnte. Dann hörte ich, wie ein Reifen platzte, fumf.
Als ich dann mit dem Typ von der Pannenhilfe dort stand, lief mein Leben an mir vorbei wie eine Endlosschleife der immer gleichen Szene. Egal, wie oft ich mir vorstelle, wegzufahren, oder wie oft ich eine Tasche packe und tatsächlich losfahre – es funktioniert einfach nicht.
27. August 1998
Dave ist für drei Tage in Texas bei einer Konferenz für Sportausrüstung, und ich will das Kinderzimmer streichen. Habe Anna in die Wiege in unserem Schlafzimmer gelegt und die letzten Nächte in einem Land voller kleiner Tiere und Kinderlieder verbracht, eine heitere Aufgabe, die »beide Welten verbindet«, wie Nadia sagte …
    Nadia? Kate

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