Wolkentaenzerin
Tagen in Kalifornien. Das Leben mit zwei kleinen Kindern ist wie Dreibeinrennen – nirgendwo komme ich mal eben so hin, auf nichts kann ich schnell reagieren. Manchmal packt mich eine irrationale Angst, dass etwas passieren könnte und ich eines der beiden verliere. Es ist verrückt, aber in diesen Sekunden ist es real, meine Strafe dafür, dass ich zu lange dafür brauche, eine gute Mutter zu werden.
18. November 1998
Heute Morgen hatte ich nach der Spielgruppe ein kurzes Gespräch mit Kate über meine Unterstützung für das Restaurant. Sie hat sich nur vage dazu geäußert und war unverbindlich: »Hmmm, keine Ahnung, wie sie das mit der grafischen Gestaltung handhaben.« Sie hat ein bisschen was vom Konzept und ein paar Leuten aus dem Team erzählt, die alle großartige Referenzen in New York vorweisen können. Aber letztendlich ist sie ausgewichen. War natürlich ganz freundlich und professionell dabei. Aber ich habe gespürt, dass sie sich innerlich gewunden hat, und sie wollte sich nicht festlegen. Es ist klar, dass wir nicht wieder darüber sprechen.
Wenn sie schon jemand anderen hätten, der die Gestaltung übernimmt, hätte sie es mir, glaube ich, gesagt. Will sie nicht mit einer Freundin zusammenarbeiten? Oder geht sie davon aus, dass ich nicht besonders gut bin? Sie hätte mich zumindest nach meinem Portfolio fragen können.
Es war so offensichtlich, was los war, dass wir beide es vorzogen, so zu tun, als sei nichts gewesen. Sie ist einfach nicht dazu bereit, ihren Ruf zu gefährden, indem sie mich mit ihren Leuten zusammenbringt. Ich bin die Frau mit den Häschenmalereien im Kinderzimmer.
Als Elizabeth ihr ihre Dienste als freie Grafikdesignerin anbot, hatte Kate nur eine vage Vorstellung davon gehabt, was genau Elizabeth früher gemacht hatte. Sie wusste, dass sie für eine Werbeagentur gearbeitet hatte, war aber davon ausgegangen, dass es sich eher um administrative Aufgaben gehandelt hatte. Zwischendurch hatte sie überhaupt nicht mehr daran gedacht. Kate kramte in ihren Erinnerungen nach Elizabeths Erzählungen über irgendwelche Entwürfe, über erfolgreich abgeschlossene Projekte oder neue Kunden, doch nichts fiel ihr ein. Sie mochte vielleicht hin und wieder erwähnt haben, dass sie übermüdet war, weil sie nachts zu lange gearbeitet hatte, doch Kate hatte angenommen, dass es um Rechnungen und Steuererklärungen ging. Letztendlich hatte Kate einfach nie nachgefragt. Die Idee, Elizabeth mit den Designern und Köchen aus New York und den Investoren an einen Tisch zu setzen, die sich ohnehin schon unsicher waren, ob die Stadt kultiviert genug für ihr Restaurant war, hatte Kate also niemals ernsthaft in Betracht gezogen. Zu dem Zeitpunkt war sie selbst vollkommen damit beschäftigt gewesen, ihr Leben als Mutter und Köchin in den Griff zu bekommen, diese zwei Hälften, die sich partout nicht ergänzen wollten. Sie konnte sich kaum an das Gespräch erinnern. Elizabeths Anfrage war einfach an ihr vorbeigegangen, und Kate hatte nie wieder daran gedacht, so unbedeutend war sie gewesen. Für Kate jedenfalls.
Sie hatte Hunger, und ihr war übel, sie war müde und hätte doch meilenweit laufen können. Sie war aufgekratzt von dem, was sie gerade erfahren hatte, außerdem war sie aufgewühlt wegen ihrer falschen Wahrnehmung, die offenbar nichts Neues bei ihr war. Sie stand abrupt auf und kletterte die Leiter hinunter.
Im Wohnzimmer lief sie auf und ab, hob die Bücher der Kinder auf, um sie zwei Meter weiter wieder auf den Boden zu legen, schüttelte die Sofakissen auf. Sie hatte Elizabeth voreilig und falsch eingeschätzt. Sie hatte Zuverlässigkeit und Großzügigkeit in ihr gesehen, jemanden, der immer ja sagte, und hatte niemals angenommen, dass sie Träume hatte. Elizabeths Zurückhaltung hatte sie als fehlende Leidenschaft gedeutet, und was sie als Nachlässigkeit wahrgenommen hatte – Elizabeth, die noch lange nach Annas Geburt mit strähnigem, ungewaschenem Haar und in Schwangerschaftskleidung herumlief –, war etwas viel Komplizierteres gewesen, etwas Dunkles, Trauriges. Kates Mantra, dass man niemals wusste, was in anderen Menschen vorging, hatte sich aus irgendeinem Grund nicht auf Elizabeth erstreckt, und Kate hatte ihre niedrigen Erwartungen an sie auf unzählige kleine Weisen deutlich gemacht.
Sie öffnete und schloss den Kühlschrank, ohne zu registrieren, was sich darin befand. Sie hätte mich zumindest nach meinem Portfolio fragen können. Kein Eistee, kein Joghurt, kein Eis. Kate
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