Wolkentaenzerin

versuchte, sich an gemeinsame Freunde in der Stadt zu erinnern oder an eine Person, die bereits in den Tagebüchern erwähnt wurde, es fiel ihr jedoch niemand ein.
 … Kaninchen überall, eine ganze Schar von Hoppelhäschen. Ich habe herausgefunden, dass Merlot mir hilft, die Beatrix Potter in mir zu entdecken, und mir eine angenehm versöhnliche Sichtweise auf meinen Tag verleiht. Ich werde besser darin. Das sage ich mir und meine es auch zu 70 Prozent.
Wir lassen Anna nächste Woche taufen, und ich ertappe mich dabei, wie ich immer wieder kurze Gebete spreche. Nicht nur dafür, dass ich eine gute Mutter werde, sondern auch, dass es mir gelingt, so zu tun als ob, bis ich es geschafft habe. So tun als ob. Ein Satz aus dem Skript meiner Mutter.
    Mitte Herbst hatte Elizabeth einen Rhythmus mit ihren Kindern gefunden. Sie unternahm Dinge, die den Kindern Spaß machten und gleichzeitig auch ihr gefielen. An einem warmen Freitagnachmittag Ende September luden die Martins zu Cocktails und Saft ein, um ihre neue Schaukel einzuweihen. Während die Kinder über die Tomatenpflanzen trampelten und sich um das Spielzeug im Sandkasten zankten und die Ehemänner Kate nach ihrer Meinung zu Restaurants in Manhattan befragten, stahl Elizabeth sich davon. Sie ging ins Haus, die Treppe hoch und sah von ihrem Schlafzimmerfenster aus zu, wie die Party wunderbar auch ohne sie weiterlief. Neben dem Fenster lehnte ein Stapel ihrer Bilder an der Wand, und sie sah sie nüchtern durch, wie eine Fremde. Hier stimmen die Relationen nicht. Das hier ist schmalziger Schund. Das hier ist nicht schlecht, eventuell verkäuflich . Als sie wieder nach unten kam, hörte sie, wie die hochschwangere Brittain, die ihre geschwollenen Beine auf einer Ottomane im Wohnzimmer hochgelegt hatte, mit jemandem in unüberhörbarem Flüstern über Alarmanlagen sprach. Bringt ja gar nichts ohne Glasbruchversicherung , sagte sie. Ich hoffe, sie hat daraus gelernt und hier eine bessere Anlage einbauen lassen. Ich kann es immer noch nicht glauben … Ich hätte ja niemals …
    Elizabeth stand gerade außer Sichtweite vor der Tür, konnte aber Brittain sehen und Kate, die ruhig dort saß und Piper stillte, während Brittain fortfuhr. Elizabeth lehnte sich an die Wand, um zu hören, ob Kate Brittain zustimmen würde. Einige Augenblicke später, als Brittain das Zimmer verließ, setzte Elizabeth sich zu Kate. In so ruhigen Momenten, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt ist, alle zu unterhalten, ist sie wirklich ein anderer Mensch. Alles an ihr wirkt weicher, weil sie zugenommen hat. Frauen wollen immer die Kilos verlieren, die sie während der Schwangerschaft zunehmen, machen sich aber gar nicht bewusst, wie viel freundlicher das Gesicht dadurch wirkt. Ich wünschte, ich könnte sie im Profil zeichnen, dichtes Haar, das sich dunkel unter ihr Kinn schmiegt. Aber ich will sie nicht fragen und dann diesen Ausdruck von Unbehagen sehen, wenn sie sich bemüht, höflich nein zu sagen, oder, noch wahrscheinlicher, ihre Absage möglichst witzig formuliert.
    Kate spürte, wie sich ihr Atem und ihr Herzschlag beschleunigten. Plötzlich war sie hellwach – ihr Mund war trocken, ihre Augen starrten ins Leere, jeder Follikel auf ihren Armen und Beinen kribbelte. Vor einer halben Stunde war sie erschöpft gewesen, bereit, das Buch nach diesem langen Tag zu schließen, der mit Minigolf begonnen hatte und mit hohem Tempo weitergegangen war. Nun musste sie jedoch weiterlesen. Es war wie ein vertraulicher Bericht, den sie nie zu Gesicht bekommen sollte. Und doch hatte man ihn ihr überlassen.
2. November 1998
Kate fängt bei einem neuen Restaurant hier in der Stadt an, ein Bistro, das jemand aus ihrer Kochschule eröffnet. Mir fiel ein, dass sie bestimmt Grafikdesign dafür brauchen – ein Logo, die Speisekarte, Werbung etc. Leslies Schwägerin braucht ihr Kindermädchen morgens nicht mehr, seitdem ihre Kinder in der Vorschule sind, und sie hat an ein paar Vormittagen in der Woche Zeit. Es könnte klappen. Ich könnte es ansprechen und mal sehen, ob sie dafür offen wäre. Kate wird wahrscheinlich mein Portfolio sehen wollen, das muss ich also aktualisieren. Bin gestern Abend zu lange aufgeblieben und habe mir online Schriften angeschaut, die zu dem passen könnten, was Kate mir über das Bistro erzählt hat. Bleeding Cowboys ist gut, retro, verblasst an den Rändern, ein bisschen westernmäßig, aber nicht übertrieben. Oder Vielkalahizo, präzise und schlicht.
Dave ist seit drei