Wolkentöchter
fleißig lernte, hatten nur eines von ihr gewollt, nämlich dass sie studierte. Sie hatten nicht mal Verständnis dafür, dass sie als junges Mädchen hübsch aussehen wollte. Ständig hielten sie ihr vor, sie müsse »stark sein, Selbstachtung haben und ein arbeitsames, einfaches Leben leben«.
Die zwei Wochen Ferien zum Neujahrsfest kamen ihr vor wie Jahre. Zurück an der Fachhochschule, traf sie sich am ersten Tag mit ihrem Freund neben dem Teigtrog.
Nachdem sie sich geliebt hatten, hielt ihr Freund sie in den Armen und flüsterte: »Wenn du das nächste Mal deine Periode hast, treffen wir uns trotzdem wieder hier. Die Biologie sollte unserer Liebe nicht im Weg stehen. Ich mache bald meinen Abschluss, und wer weiß, wohin ich dann geschickt werde, um zu arbeiten? Ich will keinen einzigen Abend von unserer gemeinsamen Zeit versäumen.«
Ein ungeheures Glücksgefühl durchströmte sie bei seinen Worten. »Liebster, keine Sorge«, raunte sie. »Ich hab eine schöne Krankheit, ich hab schon seit zwei Monaten meine Periode nicht mehr bekommen.«
»Was? Zwei Monate? Hast du denn keine Angst?« Er schob sie von sich weg, nahm ihr Gesicht in beide Hände und sah sie beschwörend an.
Ihr Geliebter wirkte so besorgt, dass sie zutiefst gerührt war und ihre Lippen auf die seinen drückte. »Es ist nichts«, sagte sie sanft. »Ich hab dich nur so sehr vermisst, dass ich nicht mehr essen oder schlafen kann. Das ist dieselbe Liebeskrankheit, wie sie die Schmetterlingsliebenden hatten.«
»Na, dann ist es ja gut«, sagte er und zog sie wieder an sich. Nachdem sie sich an jenem Abend geliebt hatten, fühlte sie sich glücklicher und erfüllter als je zuvor. Doch danach geschah etwas Seltsames. Ihr Geliebter kam tagelang nicht in die Bibliothek. Nach etwa zwei Wochen hielt sie es nicht mehr aus. Noch nie war sie in seinem Unterrichtsraum gewesen oder auch nur in seiner Jahrgangsgruppe. Sie hatten vereinbart, ihre Beziehung geheim zu halten. Wären sie entdeckt worden, hätte man sie nicht nur bestraft, sondern auch zur Trennung gezwungen. Doch das war ihr jetzt einerlei. Sie suchte überall nach ihm, aber wen sie auch fragte, stets bekam sie zur Antwort, ihr Geliebter habe die Hochschule gewechselt, um seine Chancen auf einen besseren Arbeitsplatz zu erhöhen; er habe Beziehungen spielen lassen und sei sogar noch so kurz vor der Abschlussprüfung an der Universität Beijing angenommen worden.
Er war fort? Ohne ein Wort? Ihr Geliebter, der ihr gesagt hatte, wie sehr er sie liebte, der mit ihr geschlafen hatte! Sie war schockiert und verwirrt. Das konnte nur ein böser Traum sein. Aber ihr anschwellender Bauch riss sie zurück in die Realität: Sie war schwanger.
Die schreckliche Erkenntnis, dass sie schwanger und unverheiratet war, holte sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie geriet in Panik, war außer sich vor Angst. Der Mensch, den sie über alles geliebt hatte, war einfach aus ihrem Leben verschwunden, während in ihrem Körper ein neues Leben heranwuchs. Sie kaufte sich haufenweise Wundverbände, mit denen sie sich jeden Abend im Schutz ihres Moskitonetzes den Unterleib straff umwickelte. Ein Philosoph hat einmal gesagt, dass Geschöpfe, die um ihr Leben kämpfen müssen, die widerstandsfähigsten Gene haben. Der Fötus in ihrem Bauch mochte ja von der Gesellschaft abgelehnt werden, aber er forderte dennoch sein Recht auf Leben ein. Und kein Verband würde ihn daran hindern weiterzuwachsen.
Das Wetter wurde wärmer und wärmer, und sie trug kaschierende Schlabberpullover, unter denen sie in Schweiß gebadet war. Aber ihre Kommilitonen waren mindestens ebenso ahnungslos, wie sie es gewesen war, wenn nicht sogar noch mehr. Sie sagte, sie komme aus dem Süden und würde selbst im Sommer leicht frieren, und niemand stellte weitere Fragen. Sie hatten ohnehin mit dem Studium alle Hände voll zu tun. Eines Tages konnte sie die Hitze einfach nicht mehr ertragen und bat um Erlaubnis, ins Wohnheim zu gehen und sich hinzulegen. Es waren noch drei andere Studentinnen da, aber als sie gegangen waren, zog sie ihre Sachen aus, um sich Kühlung zu verschaffen. Plötzlich kam die Putzfrau herein – und hatte eine Studentin vor Augen, die unverkennbar schwanger war. Die beiden starrten einander wortlos an.
Dann seufzte die Putzfrau und fragte sanft: »Der wievielte Monat?«
»Was soll das heißen?« Waiter runzelte die Stirn, überlegte, was die Frage bedeuten mochte.
»Wie viele Monate ist es her, dass Sie Ihre Periode
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