Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
Wochenende mit ihm Squash spielen willst.«
»Vermutlich habt ihr euch schon geeinigt«, sagte ich beleidigt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich Gunnar noch daran erinnerte.
»Ich glaube, er mag dich ganz gerne«, meinte Jutta beschwichtigend.
Es war mir gleich klar, warum. Hatte er nicht sogar großzügig angeboten, dass uns Jutta »gerne« begleiten könnte?
Allerdings passierte es mir immer wieder, dass mich Menschen, die ich nicht ausstehen konnte, aus unerfindlichen Gründen sympathisch fanden.
»Wenn er einen Termin mit mir verabreden will, kann er mich jederzeit anrufen.«
»Er hat mehrmals versucht dich anzurufen, aber du warst nie da.«
Ich ging nur selten ans Telefon. Neun von zehn Anrufen galten Jutta, bei dem einen war entweder Helga oder meine Mutter am Apparat.
»In Zukunft werde ich noch seltener da sein«, erwiderte ich kühl.
»Aber meistens bist du doch da«, widersprach Jutta ungeachtet meiner Ankündigung, fortan größtenteils aushäusigen Tätigkeiten nachgehen zu wollen. Anscheinend rechnete sie nicht mehr damit, dass sich mein Alltag in Zukunft noch groß ändern würde.
»Zwischen sechs und halb sieben kann er mich erreichen«, kam ich ihr etwas entgegen.
Jutta sah mich verständnislos an. »Und warum kann er dich mittags nicht mal anrufen?«
Offenbar wollte sie nicht begreifen, dass ich nicht ständig zur Verfügung stand, nur weil ich zu Hause arbeitete.
»Mittags ruhe ich und möchte nicht gestört werden.«
»Aber du kannst doch ausruhen, wann du willst!«
Trotz meiner Hausarbeit hatte ich einen strengen Stundenplan, den ich nicht wegen Gunnar über Bord zu werfen gedachte. Als Beamtin mit geregelten Arbeitszeiten konnte Jutta das einfach nicht nachvollziehen.
»Eben nicht«, erwiderte ich.
»Darf ich dich etwa auch nicht stören?«, fragte sie beinahe beleidigt.
»Du rufst mich mittags ja nie an.«
»Aber wenn ich dich mal anrufen möchte, darf ich das nicht, oder wie?«
Die Stimmung drohte zu kippen, sodass ich ihr rasch zusicherte, in Notfällen jederzeit erreichbar zu sein.
Derweil wartete ich immer noch auf eine sachdienliche Aussage zum Thema Schwimmen.
»Ich bleibe jetzt so lange hier sitzen«, drohte ich, »bis du mir klipp und klar gesagt hast, wann ich das letzte Mal geschwommen bin.«
»Du kannst hier gerne so lange sitzen bleiben, wie du willst«, sagte Jutta und trank den Rest Kaffee aus, »ich muss jetzt leider gehen.«
Sie erhob sich lächelnd. Ich biss wütend in das Marmeladenbrötchen. Und auf einmal konnte ich es nicht mehr zurückhalten und rief: »Damit du’s weißt, ich habe gestern zum ersten Mal geklaut!«
Jutta drehte sich zu mir um. »Darüber sprechen wir dann ein anderes Mal«, erklärte sie mit einer Gelassenheit, die mich noch rasender machte.
Nachdem sie das Haus verlassen hatte, rannte ich hoch ins Schlafzimmer, um nach einer Badehose zu suchen. In meinem Schrank herrschte eine Ordnung, als müsste ich jeden Morgen in Sekundenschnelle entscheiden, was ich anziehen wollte. Dabei stand ich oft minutenlang ratlos davor, weil ich nicht wusste, welche Kleider zu meiner aktuellen Stimmung passten. Manchmal behielt ich den Morgenmantel einfach an und erledigte leichte Hausarbeiten, bis ich mir über meine Stimmung im Klaren war. Obwohl Juttas Schrank etwa doppelt so groß war wie meiner, brauchte sie keine Minute, um sich anzuziehen. Wahrscheinlich richtete sich ihre Stimmung nach der Wahl ihrer Kleider. Insgeheim bewunderte ich meine Frau für ihre professionelle Lebensgestaltung. Mein Leben wirkte dagegen wie die Rohfassung eines Films, wo bis zuletzt unklar blieb, ob man mich nicht doch noch rausschneiden würde.
Wie ich vermutet hatte, konnte ich eine Badehose nicht finden. Aber ohne Badehose würde der Piratentest womöglich ausfallen. Und da ich Zoe nun einmal versprochen hatte, ihr Freund zu werden, wollte ich sie auch nicht enttäuschen.
Irgendwo in diesem Haus musste es doch ein Kleidungsstück geben, das einer Badehose zumindest ähnlich sah.
Ich öffnete Juttas Schrank. Dank meiner zwanghaften Abneigung gegen Unordnung befand sich das Innenleben ihres Schranks immer noch in einem halbwegs akzeptablen Zustand. Vor drei Tagen hatte ich dort das letzte Mal aufgeräumt. Jutta hatte sich anscheinend damit abgefunden, dass ich während ihrer Abwesenheit gerne ein wenig Ordnung in ihre Wäsche brachte. Jedenfalls hatte sie sich am Anblick militärisch geordneter Schlüpfer nie gestört. Vielleicht ließ sie mich aber auch
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