Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
vorsichtig. »Warst du verreist?«
Zoe zog ihr Schwert aus dem Gürtel und fuchtelte gefährlich nahe vor meinen Augen. Ich bemühte mich, unbekümmert zu wirken.
»Geht dich doch nichts an«, meinte sie schließlich, »außerdem ist ein Pirat immer unterwegs.« Ich war erstaunt, wie sehr sie ihre Rolle ausfüllte. Dagegen wirkte ich als Ehemann mit Vorliebe für ältere Damen vollkommen deplatziert.
»Stimmt«, gab ich mich geschlagen, »ich bin ja wirklich blöd.«
Zoe nickte zufrieden und steckte das Schwert zurück in den Gürtel.
»Gut«, sagte sie sachlich, »und warum sollte ich jetzt hierherkommen?«
Auf so eine klare Frage war ich nicht vorbereitet gewesen. In meiner Ehe war ich es gewohnt, klare Fragen und Antworten zu vermeiden. Die letzte klare Aussage in diesem Zusammenhang war das Ja im Standesamt gewesen.
»Du hast mal etwas von einem Piratentest erzählt.«
»Ach so, du willst also mein Freund werden, stimmt’s?«
Ich nickte zögerlich. In diesem Augenblick kam ein Mann mit Handy am Ohr raschen Schrittes aus dem Supermarkt, stieg in seinen in zweiter Reihe geparkten Mercedes und rauschte davon.
»Aber vorher muss ich wissen, ob du es wirklich ernst meinst.«
»Okay«, sagte ich, während ich dem Mercedes hinterherblickte, der gerade bei Rot über die Kreuzung fuhr.
»Erst musst du in den Supermarkt gehen und eine Tafel Schokolade klauen, dann kannst du den Test machen.«
Ich glaubte mich verhört zu haben. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nichts geklaut.
»Kann man den Test nicht auch ohne Klauen bestehen?« Ich war mir nicht sicher, ob ich wegen eines Piratentests in die Kriminalität abgleiten wollte. Andererseits gehörte das Stehlen zweifellos zum Berufsbild eines Piraten.
Sie schüttelte energisch den Kopf. »Entweder oder!«
Ich spürte, wie mir allein bei der Vorstellung, etwas zu stehlen, die Knie weich wurden. Wenn ich nun erwischt wurde und herauskäme, dass ich der Mann von Jutta Wollmann, einer Mitarbeiterin im Bundesjustizministerium, war? »Ehemann klaut im Supermarkt. – Ist Jutta W. noch tragbar?«
Doch dann kam mir plötzlich ein ganz anderer Gedanke. Wenn ich Jutta erzählte, dass ich im Supermarkt eine Tafel Schokolade hatte mitgehen lassen, hätte ich möglicherweise endlich ein ernstzunehmendes Problem. Die Frage war: Würde Jutta dieses Problem überhaupt als Problem anerkennen?
»Na gut«, lenkte ich schließlich ein, »dann mache ich eben den Test.«
Zoe grinste mich frech an. Warum zum Henker wollte ich eigentlich ihr Freund werden?
Im Supermarkt schritt ich die Regalreihen ab wie bei einer Truppenabnahme. Ich schwitzte stark und konnte mich nicht richtig konzentrieren. Ich war mir auf einmal sicher, dass auf meiner Stirn der für jeden Kunden gut lesbare Satz »Ich plane, eine Tafel Schokolade zu klauen« stand. Als mich eine Frau eine Sekunde zu lange ansah, glaubte ich ihr eine Erklärung schuldig zu sein. »Nie weiß man, was man essen soll!«
Die Frau wandte sich wortlos ab.
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Einen Moment überlegte ich, ob ich meinen Kopf kurz in einen Tiefkühlschrank halten sollte. Ich erinnerte mich an die beiden jungen Männer mit ihrem Einkaufswagen voller Bierdosen. Sie waren viel ruhiger als ich, und ich hatte noch nicht mal einen Einkaufswagen. War es leichter, mehr zu klauen als nur eine lächerliche Schokoladentafel? Einen Einkaufswagen voller Schokolade?
Ich lachte kurz auf.
Vor dem Regal mit Hundefutter entdeckte ich plötzlich Helga. In all den Jahren hatte ich sie noch nie beim Einkaufen getroffen. Es war mir unangenehm, ausgerechnet sie jetzt hier zu treffen, zumal mein Angebot, ein Verhältnis mit ihr zu beginnen, noch nicht lange zurücklag.
Ich wollte mich gerade abwenden, als sie mich bemerkte.
»Bernd?«, fragte sie überrascht.
»Helga«, sagte ich ohne Begeisterung.
»Was willst du denn hier?«
Leider begriff ich zu spät, dass es ironisch gemeint war.
»Ich habe vor, eine Tafel Schokolade zu stehlen«, klärte ich sie umgehend auf.
Helga lachte so laut, dass ich mich am liebsten spontan aufgelöst hätte.
»Das dachte ich mir fast schon«, erwiderte sie prustend.
Seltsamerweise fühlte ich mich nach diesem Bekenntnis erleichtert.
»Und du hast einen Hund?«
Es ärgerte mich, dass sie mir den Hund bislang verschwiegen hatte. Wenn sie mir über intime Details berichten konnte, konnte sie auch einen Hund erwähnen.
»Nein, nein, eine Katze.«
»Eine Katze mit Vorliebe für
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