Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
Sache nicht leichter. »Ich könnte doch bei Ihnen, also in Ihrem Reich, noch ein paar Probleme nachträglich bewältigen. Ich meine, im Himmel gibt’s ja sicher auch das eine oder andere zu tun.«
Gott sah mich streng an. »Im Himmel haben wir keine Probleme!« Und damit bedeutete er mir, den Weg für die Nachfolgenden frei zu machen.
Jedenfalls fühlte ich mich auf meinem Lieblingssessel nicht mehr richtig wohl und nahm mir vor, ihn in der nächsten Zeit zu meiden, auch auf die Gefahr hin, dass er sich unwiderruflich von mir entfremdete.
Als ich nach dem Essen nach oben in mein Zimmer zurückkehrte und aus dem Fenster sah, entdeckte ich Zoe. Sie lag in der Hängematte und »rauchte« ihre Pfeife.
Sofort riss ich das Fenster auf, verharrte dann aber, weil ich nicht wusste, ob ich ihr mein prinzipielles Einverständnis, am Piratentest teilzunehmen, über die Straße zurufen sollte. Ich hatte Sorge, dass irgendjemand aus der Nachbarschaft mitbekam, dass ich vorhatte, Pirat zu werden. »Wissen Sie schon das Neueste? Herr Wollmann möchte Pirat werden.« Einmal hatte ich gegenüber dem Postboten erwähnt, dass ich mir vorstellen könne, auch mal wieder in eine Wohnung zu ziehen. Am nächsten Tag standen wildfremde Menschen vor der Tür und fragten, ob sie das Haus besichtigen könnten, ihnen sei zu Ohren gekommen, dass der Eigentümer wegen Überschuldung bereits ausgezogen sei. Selbst nach Vorlage meines Personalausweises und Abgleich mit den am Gartentor angebrachten Initialen B. + J. W. blieben die Hausinteressenten uneinsichtig. Ich musste sie schließlich des Vorgartens verweisen.
Stattdessen winkte ich jetzt grob zur andere Straßenseite, sodass nicht klar zu erkennen war, wem meine Zuwendung galt. Leider reagierte Zoe nicht auf mein Winken.
Ich zog mich um. Seriöse, nicht allzu legere Alltagskleidung. Eigentlich also wie immer. Dann nahm ich den Bastkorb, als wollte ich einkaufen gehen. In der Straße kannte man mich als den Mann mit dem Bastkorb. Vermutlich war ich im gesamten Bezirk der einzige Mann, der mit einem Bastkorb am Arm einkaufen ging. Vermutlich war ich überhaupt der einzige Mann, der in dieser Gegend einkaufen ging. Der Bastkorb suggerierte ökologisches Bewusstsein gepaart mit einer feministischen Überzeugung. Dabei war so ein Bastkorb einfach nur praktisch.
Leise summend verließ ich das Haus. Als leise vor sich hin summender Bastkorbträger war ich vor jeglichen Verdächtigungen gefeit. Zunächst schlenderte ich nach links, überquerte dann abrupt die Straße und schlenderte auf der anderen Seite wieder zurück, bis ich wie zufällig vor Zoes Wohnblock stehen blieb. Da sie von unten nicht zu sehen war, überlegte ich mir eine harmlose Frage, um sie auf mich aufmerksam zu machen.
»Soll ich dir Schokolade mitbringen?« Eine dümmere Art, auf mich aufmerksam zu machen, war eigentlich kaum denkbar.
Statt Zoe tauchte in diesem Augenblick der Kopf einer älteren Frau hinter den Blumenkästen auf.
»Wie bitte?«, fragte sie. Anscheinend hatte sie sich gerade gesonnt.
Obwohl ich die Frau nicht kannte, wiederholte ich meine Frage geistesgegenwärtig.
Ihr Gesicht wurde rot. »Was unterstehen Sie sich, ich habe Diabetes!«, rief sie empört. Daraufhin verschwand der Kopf wortlos hinter den Geranien.
Wenigstens hatte mich jetzt auch Zoe bemerkt. Als sie mich sah, lächelte sie. Ich deutete auf den Korb und wies mit einer Kopfbewegung Richtung Supermarkt. Sie nickte, als hätte sie mich verstanden.
Ich wartete auf einer Bank neben dem Supermarkt. Je länger ich wartete, desto unsinniger erschien mir mein Vorhaben. Warum war ich nicht zu Hause geblieben und widmete mich der Pflege des Gartens? Doch schon im nächsten Moment dachte ich an den tollkühnen Gunnar, der wie ein Vogel durch die Luft fliegen würde, während ich noch nicht mal ein herausforderndes Problem vorweisen konnte.
Nach einer halben Stunde trottete Zoe endlich in ihrer bunten Flickenhose um die Ecke. Sie hatte es offenbar nicht eilig gehabt. An ihrer rechten Hand bemerkte ich eine schlecht verheilte Schürfwunde. In ihrem Gürtel steckte ein Plastikschwert.
»Du siehst ja aus wie eine Oma mit diesem blöden Korb«, begrüßte mich Zoe.
Ich lachte, auch weil Zoe im Grunde nicht ganz Unrecht hatte. Mir gefiel die Vorstellung, irgendwann auszusehen wie Margaret Rutherford in den alten Agatha-Christie-Filmen. Eine knorrige alte Dame, die nebenher Kriminalfälle löste.
»Ich habe dich lange nicht gesehen«, sagte ich
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