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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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ansehen zu müssen, wie mein Gesamtwerk so vor die Hunde geht. »Aber besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende«, sage ich mir hinterher zur Beruhigung und tröste mich mit dem Zauber des Anfangs, der meinem Leben seit sieben Wochen eine ganz neue Qualität verleiht.
    Zum Abschluss meines Rundgangs besuche ich jedes Mal unser Schlafzimmer. Über den ganzen Raum verteilt liegen und hängen die Kleider meiner Frau. Neben der Tür zum Bad türmt sich die Unterwäsche auf dem Boden. Heimlich freue ich mich, dass sie ihr Privatleben offensichtlich nicht mehr im Griff hat, während sie äußerlich weiter entschlossen den Eindruck vermittelt, auch ohne meine Hilfe gut zurechtzukommen. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, frohlocke ich siegessicher, bis ihr das alles hier um die Ohren fliegt. Und dann wird sie zu mir kommen und glasklar mitteilen, was sie von unserer Beziehung erwartet.
    Mein Bett ist immer noch ungemacht. Auf dem Kissen erkenne ich den Abdruck meines Kopfes. Die Bettdecke ist zur Seite geschlagen, genauso wie ich es vor sieben Wochen verlassen habe. Es kommt mir vor wie meine alte Haut, die ich abgestreift habe, um im Vorgarten ein neues Leben zu beginnen. Und wenn ich ans Fenster trete und den hässlichen Wohnkasten aus den Sechzigerjahren auf der gegenüberliegenden Straßenseite sehe, muss ich an die kleine Zoe denken, ohne die ich nicht der wäre, der ich heute bin.

1
    Alles begann damit, dass die alte Efeutute in unserem Büro eines Morgens verschwunden war, genau drei Wochen nachdem die Freie Universität den Exzellenzwettbewerb gewonnen hatte. Bis dahin hatte ich fünfzehn Jahre zufrieden in der Pressestelle gearbeitet und mich um die hausinternen Publikationen gekümmert, hatte Pressemitteilungen geschrieben, kurze Berichte über »Mitarbeiter des Monats« verfasst und die unlesbaren Aufsätze von unseren Professoren in verständliches Deutsch übertragen.
    Nach meinem Studium war ich mehr zufällig in die Sache hineingerutscht. Ratlos, welchen Beruf ich ergreifen sollte – ich wollte Geld verdienen, aber ohne die übliche Schinderei – , absolvierte ich ein dreimonatiges Praktikum in der Pressestelle und wurde hinterher zu meinem Erschrecken gleich übernommen. Damals lebte ich in einer Schöneberger Einzimmerwohnung an der Grenze zu Kreuzberg. Bis auf eine alleinstehende, achtzigjährige Frau und mich wohnten nur Ausländer in dem Haus. Türken, Libanesen und Araber. Ich hatte im Prinzip nichts gegen Orientalen, aber mein zurückgezogener Lebensstil vertrug sich nun mal nicht mit dem überschäumenden morgenländischen Temperament, welches das Haus beinahe täglich und oft bis spät in die Nacht in einen Karneval der Kulturen verwandelte. Mal war es die arabische Großfamilie über mir, die eines ihrer offenbar zahllosen religiösen Feste feierte, dann wieder ließ ohrenbetäubende Musik von unten die Gläser in meinem Schrank erzittern. Regelmäßig ab acht Uhr abends fing das türkische Paar neben mir lautstark an zu streiten, was schon deshalb unerträglich war, weil ich nie wusste, worum es ging. Erst nachdem Geschirr zu Bruch gegangen war, herrschte für eine halbe Stunde Ruhe, die jedoch ebenso regelmäßig von heftigem Stöhnen wieder unterbrochen wurde. In dieser halben Stunde hatte ich Zeit, mich auf den Fernsehfilm zu konzentrieren, sofern die wummernden Bässe von unten ein Verständnis nicht unmöglich machten. Da ich zu faul war umzuziehen, schaffte ich mir Ohrenschützer an, die ich aufsetzte, sobald ich meine Wohnung betrat. An der Wohnungstür hing der islamische Festkalender, sodass ich immer auf dem Laufenden war, wenn über mir wieder einmal gefeiert wurde. Weil ich das Fernsehen mit Ohrenschützer allerdings kaum noch verstand, wechselte ich in den Schwerhörigenmodus, um wenigstens andeutungsweise zu begreifen, worum es im Film überhaupt ging.
    So empfand ich die morgendliche U-Bahn-Fahrt zu meinem Arbeitsplatz im beschaulichen Dahlem jahrelang wie einen Ausflug in die Sommerfrische.
    Da ich immer der Erste war, musste ich auf allgemeinen Wunsch der Kollegen zunächst die Kaffeemaschine in Betrieb setzen. Denn ehe die Arbeit rief beziehungsweise sich durch ein dezentes Flüstern bemerkbar machte, wurde erst einmal ausgiebig Kaffee getrunken und mit den weiblichen Kollegen der neueste Klatsch ausgetauscht. Mein pockennarbiger Tischnachbar Uwe, der mir gegenübersaß und zuverlässig seine stets gleichbleibend schlechte Laune verströmte, beteiligte sich

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