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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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davon, Pirat zu sein?«
    Zoe blickte mich ratlos an.
    »Als Pirat kannst du machen, was du willst!«
    »Aha«, sagte ich, »und was zum Beispiel?«
    Sie schien meine Frage überhaupt nicht zu begreifen.
    »Alles, du brauchst dich eben an keine blöden Gesetze zu halten«.
    Ich dachte nach. »Dann brauche ich mich also auch nicht mehr zu rechtfertigen?«
    Sie schien kurz zu überlegen, was ich damit gemeint haben könnte, bejahte dann aber schnell, während sie das Kaninchen zurück in den Pappkarton beförderte.
    »Deswegen gehst du wohl auch nicht in die Schule, oder?«
    »Hm-hm«, machte sie und wackelte mit dem Kopf.
    »Gehst du denn überhaupt in die Schule?«
    Zoe kaute nervös an ihren Fingernägeln und starrte ins Leere. Offensichtlich hatte ich einen wunden Punkt getroffen.
    »Manchmal«, murmelte sie durch ihre Finger.
    »Sagen denn deine Eltern gar nichts dazu?«
    »Meine Mutter arbeitet den ganzen Tag in irgendeinem Büro, und mein Vater ist sowieso weg.«
    »Weg?«
    »Ja, er hat sich mit meiner Mutter immer gestritten, und dann ist er eben weggegangen.«
    »Sie sind also geschieden?«, hakte ich nach.
    »Genau! Mein Vater ist doch blöd, aber eigentlich hat er auch recht.«
    Ich horchte auf. »Wieso hat er recht?«
    »Weil er immer allein war, weil meine Mutter immer so viel zu tun hatte.«
    Ich beschloss, nicht weiter nachzufragen, dabei hätten mich die näheren Umstände durchaus interessiert.
    »Aber deshalb musst du doch trotzdem in die Schule gehen. Schule ist doch wichtig!« Meine Stimme klang plötzlich so fremd, als würde ich selbst nicht daran glauben.
    »Keine Ahnung, mir hat niemand gesagt, wozu die blöde Schule gut sein soll.«
    »Nicht?«, fragte ich empört, obwohl ich auch keine sofortige Antwort darauf wusste.
    Sie setzte sich in den Schneidersitz und verschränkte die Arme. »Was wollen die Lehrer denn von mir? Die müssen mir doch mal sagen können, warum ich so blöde Sätze schreiben soll oder Zahlen zusammenzählen. Und solange mir das keiner sagt, bleibe ich eben Pirat.«
    »Vielleicht weil du später mal was werden willst?«, brachte ich ihre mögliche Zukunft als Erwachsene ins Spiel.
    »Ich will aber nichts werden!«
    Ich war beeindruckt, wie selbstverständlich sie sich jeglicher Entwicklung verweigerte.
    »Könnte es nicht sein«, sagte ich vorsichtig, »dass du irgendwann keine Lust mehr hast, Pirat zu sein?«
    Sie sah mich schockiert an. »Nie! Das darfst du nie wieder sagen.«
    Ich schwieg einen Moment. Dann versuchte ich es erneut.
    »Ich wollte früher mal Blumenverkäufer werden, ist das nicht komisch?« Bis zu meinem Studium schwankte mein Berufsziel zwischen Blumenverkäufer und Friedhofsgärtner. Alles andere interessierte mich nicht.
    »Das ist doch gar nicht komisch«, meinte sie irritiert.
    Nun war ich irritiert. »Nicht?«
    »Nein, Blumen sind doch schön, dann kann man sie doch auch verkaufen, oder?«
    Sie hatte recht. Es war eigentlich nichts dabei, Blumen zu verkaufen.
    »Und was bist du jetzt geworden?«, wollte sie wissen.
    Ich sah mich nervös um und überlegte, ob ich ihr die Wahrheit sagen sollte. Sollte ich ihr offen ins Gesicht sagen, dass ich eigentlich gar keinen Beruf hatte, jedenfalls keinen, mit dem man vor irgendjemandem angeben konnte? Bis vor kurzem hatte mich das allerdings überhaupt nicht gestört.
    »Meistens wird man ja sowieso nicht das, was man sich mal gewünscht hat«, sagte ich ausweichend, »und deshalb bringen sie einem in der Schule vorsichtshalber gleich alles bei.«
    »Aber das ist doch blöd, wenn man dann was anderes wird.«
    Ich zuckte die Schultern. Ich hatte mir auch nie erklären können, warum ich nicht Blumenverkäufer geworden war. Irgendetwas musste wohl dazwischengekommen sein.
    »Ja«, erwiderte ich nachdenklich, »das ist wirklich blöd.« Und nach einer Pause setzte ich lächelnd hinzu: »Aber wir sind ja jetzt Piraten, das kann uns keiner mehr nehmen.«
    Zoe nickte zufrieden. Doch zwei Sekunden später blickte sie mich betroffen an. »Weißt du, was schade ist?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dass wir nicht mal einen Schatz finden können, so einen richtigen Piratenschatz.«
    »Und warum können wir das nicht?«, fragte ich, obwohl es natürlich eine blöde Frage war.
    »Weil es hier wahrscheinlich gar keinen Schatz gibt«, erwiderte sie trübsinnig.
    Ich dachte nach. Und dann hatte ich auf einmal eine großartige Idee.

10
    Den halben nächsten Tag verbrachte ich damit, eine Schatzkarte zu malen. Ich nahm

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