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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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kein Bus, das ist doch Unsinn. Es gibt ja nicht mal einen Fahrplan.«
    Ich lächelte betreten. »Und was schlägst du vor?«, fragte ich.
    Sie sah mich böse an. » Du wolltest doch nicht mehr mit dem Ballon fliegen. Dann darfst du dir jetzt auch überlegen, wie wir nach Hause kommen.«
    Es war bereits später Nachmittag. Mein Kopf war leer. Ich hatte nicht mal ansatzweise eine Idee.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte ich und hob meine schwer gezeichneten Füße, was Jutta jedoch überhaupt nicht beeindruckte.
    »Sollen wir hier vielleicht übernachten?«
    »Irgendwann muss der Bus ja mal kommen«, sagte ich.
    »Und wenn er erst morgen kommt?«
    »Dann warten wir eben so lange«, sagte ich unbeirrt. Ich konnte mich selbst nicht mehr ernst nehmen. Doch die Vorstellung, das Eintreffen des Busses durch reines Abwarten zu erzwingen, gefiel mich ausgesprochen gut. Hatte ich nicht schon immer gerne gewartet? Rückblickend kam es mir sogar vor, als beruhte meine eigentliche Lebensleistung im Warten auf Ereignisse, von denen ich längst wusste, dass sie nie eintreffen würden.
    Jutta schlug abrupt ein Bein über und verschränkte die Arme. Immer wenn sie mit einer Situation unzufrieden war, aber nicht weiterwusste, schlug sie abrupt ein Bein über und verschränkte die Arme. Ich spürte, dass ich meine Frau allein durch meine Weigerung, nichts zu unternehmen, im Griff hatte.
    Eine Weile saßen wir stumm nebeneinander und blickten in unterschiedliche Richtungen. Wer zuerst in die Richtung des anderen sah, musste eine Frage beantworten.
    Da es in meiner Richtung etwa das Gleiche zu sehen gab wie in Juttas, hatte ich keinerlei Bedürfnis, in ihre Richtung zu sehen, und konnte den Ausblick in aller Ruhe genießen. Wie zu erwarten, hatte meine Frau schnell genug gesehen und wandte sich zu mir. Auf diesen Moment hatte ich nur gewartet.
    »Was musstest du vorhin eigentlich so Wichtiges mit Gunnar besprechen?«, fragte ich, während ich weiter in meine Richtung sah.
    Sie schwieg, was ich als gutes Zeichen wertete. Anscheinend erkannte sie endlich selbst, dass sie den Bogen überspannt hatte.
    »Es ging nur um eine Hotelbuchung für unsere Klausurtagung«, sagte sie schließlich.
    Nun war ich an der Reihe und schwieg. Allerdings merkte ich schnell, dass mein Schweigen etwas verfrüht war, da ich mich ja noch nicht einmal dazu geäußert hatte.
    »Ich nehme an, es ist ein besonders idyllisches Hotel.« Ich versuchte einen ironischen Unterton zu vermeiden, was mir bei der fortschreitenden Auflösung meines bisherigen Lebens jedoch immer weniger zu gelingen schien.
    »Es ist ein Hotel im Umland. Ob es besonders idyllisch liegt, kann ich dir leider nicht sagen.«
    »Aha«, sagte ich.
    »Das geht mir jetzt langsam auf die Nerven«, sagte sie hörbar genervt, »ich weiß wirklich nicht, was das immer soll.«
    »Ich bemühe mich nur, ein richtiger Mann zu sein«, erklärte ich trotzig.
    »Ehrlich gesagt, warst du mir früher lieber.«
    Ich schlug nun ebenfalls ein Bein über und verschränkte die Arme.
    »Früher?«, fragte ich. »Wenn du mir freundlicherweise den genauen Zeitpunkt sagen könntest, wäre das für meine weiteren Planungen hilfreich.«
    Jutta stöhnte auf. »Früher eben, ich kann dir da auch kein Datum nennen.«
    Ihre schwammigen Antworten bei entscheidenden Fragen trieben mich regelmäßig zur Verzweiflung. Mir war nie klar, ob sie mich bewusst im Vagen halten wollte, oder ob es ihr einfach egal war.
    »Länger früher oder kürzer früher?«
    »Übertreib es nicht mit deinem Du-Sein«, sagte sie nur.
    Doch noch ehe ich Überlegungen anstellen konnte, was dieses Du-Sein für unsere Beziehung bedeutete, hielt vor uns ein Auto.
    »Kann ich Sie mitnehmen?«, fragte ein älterer Mann, nachdem er die Scheibe heruntergekurbelt hatte. »Hier fährt am Wochenende nämlich kein Bus.«
    Während Jutta wie selbstverständlich auf der Rückbank Platz nahm, stieg ich aus alter Gewohnheit vorne ein. Dabei hätte ich viel lieber hinten gesessen, weil ich mich nun verpflichtet fühlte, dem Fahrer irgendwelche hanebüchenen Fragen zu stellen, nur um nicht völlig desinteressiert zu wirken.
    Zum Glück war Herr Radtke – »Radtke mit dt, sonst klingt es wie Geheimrat« – kein Taxifahrer, sondern ein Mann, der selbst ungefragt alles ausplauderte, was ihm am Herzen lag.
    Wie sich herausstellte, war Herr Radtke vor fast zwanzig Jahren mit seiner Frau aus Berlin aufs Land gezogen, um hier draußen ein neues Leben zu beginnen. Ursprünglich

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