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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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griff ich nach Juttas Arm. Das brachte zwar nichts, verschaffte mir aber das Gefühl, einen Beitrag für ihre Sicherheit zu leisten.
    Tatsächlich beruhigte sich die Lage kurz darauf. Vorsichtshalber blieb ich am Boden sitzen, um kein Risiko einzugehen. Ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, irgendetwas zu beweisen. Ja, ich lehnte es ab, vor meiner Frau weiter den Mann zu spielen, der ich nicht war. Und es war mir in dieser Sekunde egal, ob sie mich für einen Waschlappen hielt oder nicht.
    Wenig später spürte ich einen dumpfen Schlag. Wir waren gelandet. Als ich zitternd über die Brüstung stieg, sah ich, dass wir uns mitten auf einem Feld befanden. In einiger Entfernung erkannte ich einen kleinen See. Mir war der Appetit vergangen. Jutta wirkte indes wieder vollkommen fit. Es war beängstigend, wie schnell sie zur Tagesordnung überging. Auch mein Verhalten hatte sie offenbar vergessen. Ob es in diesem Fall einen Sinn ergab, überhaupt noch etwas zu beweisen, konnte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte sie und zupfte ihr Kleid zurecht, als wollte sie nun endlich wissen, warum sie so angezogen war.
    Die Energie meiner Frau war bewundernswert. Sie schien unerschöpfliche Reserven zu besitzen, während ich seit Jahren am Notstromaggregat hing.
    »Ja, richtig«, sagte ich und ließ mir von Herrn Höbel den Picknickkorb reichen. »Du hast doch sicher Hunger nach der ganzen Aufregung.« Ich bemühte mich, fröhlich zu wirken, dabei wollte ich nichts lieber als nach Hause in meinen Garten.
    »Das nenne ich eine gelungene Überraschung!«, sagte sie strahlend. Und noch ehe ich sie fragen konnte, ob sie sich auch eine gemeinsame Zukunft mit weniger Überraschungen vorstellen konnte, hatte sie ihre Schuhe ausgezogen und lief runter zum See.
    Ich schleppte mich über die Wiese hinter ihr her. Nachdem ich das Essen auf der Decke dekorativ angeordnet und den Champagner entkorkt hatte, sah mich Jutta liebevoll an.
    »Wie bis du nur auf so eine schöne Idee gekommen?«
    Ich wusste nicht, ob ich ihr sagen sollte, dass es eigentlich nicht meine eigene Idee war. Aber wenn ich ihr mitteilte, dass in Wirklichkeit Gunnar dahintersteckte, wäre alles umsonst gewesen.
    »Das hättest du mir wohl nicht zugetraut«, meinte ich ausweichend und lächelte gequält.
    »Ich entdecke immer wieder neue Seiten an dir«, sagte Jutta und gab mir einen Kuss auf den Mund.
    Ich schämte mich. Ich fühlte mich in meiner Haut nicht mehr wohl. Unsere Ehe war plötzlich anstrengend geworden. Und ich war mir nicht sicher, an wem es lag. Vielleicht, weil ich auf einmal eine Rolle spielen musste, die nicht zu mir passte. Weil ich Erwartungen zu erfüllen hatte, die ich niemals erfüllen konnte. Aber was hätte ich denn tun sollen? Ich wusste ja selbst nicht mehr, wer ich war. Es gab keine wirklichen Vorbilder, an denen ich mich orientieren konnte. Und Gunnar war zweifellos das falsche Vorbild, das wurde mir jetzt mit aller Deutlichkeit bewusst. In mir wuchs der Widerstand gegen eine Beziehung, deren Vorzeichen sich längst geändert hatten. Doch im Grunde steckten wir alle noch in unserer alten Haut, die wir nicht so leicht loswurden, wie sich das manche gerne wünschten. Womöglich waren wir mittendrin in der Häutung und suchten nach einem geeigneten Baumstamm, um die Haut endgültig abzustreifen. Aber von einem Baumstamm war weit und breit nichts zu sehen und so liefen wir weiter mit den alten, vertrockneten Fetzen herum.
    Mitten in die Stille hinein klingelte plötzlich Juttas Handy. Ich blickte sie böse an, was sie jedoch nicht davon abhielt, das Handy aus ihrer Handtasche zu holen.
    »Gunnar«, sagte sie freudig, als sie die Nummer auf dem Display sah. Gunnar schien überall wie ein Schatten mit dabei zu sein. Ihre Begeisterung gefiel mir nicht. Sie gefiel mir ganz und gar nicht.
    »Rat mal, wo wir sind?«, sagte Jutta ins Handy.
    Ich erstarrte. Am liebsten hätte ich das Handy in den See geworfen, bevor die Wahrheit ans Licht kam. Leider hatte ich noch nicht den Mut für drastische Handlungen.
    »Ich sitze mit Bernd auf einer Wiese am See und trinke Champagner.«
    Ich sah auf die Decke, wo sich bereits erste Ameisen über die belegten Brötchen hermachten. Ob es für die vorwiegend männlichen Ameisen wohl ein Problem war, dass sie ihr Leben ausschließlich der Fütterung ihrer Königin widmeten? Doch die Ameisen schienen keinen Moment darüber nachzudenken, sie taten einfach, was ihnen die Natur

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