Wollust - Roman
»Es könnte dir später einmal helfen. Und es wichtig, dass wir das wissen.«
»Crystal Larabee«, flüsterte Mandy, »dieses Miststück.«
48
Decker war davon ausgegangen, um sieben Uhr morgens das Großraumbüro des Reviers für sich allein zu haben, aber Wanda saß bereits an ihrem Schreibtisch, vertieft in ihren Bildschirm. Sie blickte noch nicht einmal auf, als er durch die Tür kam.
»Guten Morgen«, sagte Decker laut.
Wanda begrüßte ihn mit einem Lächeln, das ihr gesamtes Gesicht zum Strahlen brachte. Es war keins dieser »Schöner Tag, heute, nicht wahr«-Lächeln, sondern ein »Jetzt haben wir den Scheißkerl«-Grinsen. »Hast du einen Moment Zeit?«
Decker winkte sie zu sich in sein Büro. Wanda trug eine jagdgrüne Bluse und eine schwarze Hose, dazu Vans an den Füßen. Unter ihrem Arm klemmte eine Akte. Er schloss die Tür, beide setzten sich. »Was hast du zu bieten?«
Sie legte die Akte auf den Schreibtisch. »Eine Kopie der Mordakte von Roxanne Holly.«
»Die ist ganz schön umfangreich. Fasst du das Wichtigste für mich zusammen?«
»Aber gerne doch.« Wanda zückte ihren Notizblock. »Laut Roxanne Hollys Mitbewohnerin, Latitia Bohem, ging Roxanne auf ein paar Drinks in ein Restaurant namens El Gaucho und kam nie wieder zurück. Der Laden lag ungefähr vier Straßen von Roxannes Apartment entfernt. Viele der Einheimischen gingen da hin. Es war eine laue Nacht, also entschied sie sich, zu Fuß zu gehen.«
»Allein und im Dunkeln?«
»Ja.«
»Das ist niemals eine gute Idee.«
»Ganz sicher nicht in ihrem Fall. Nach Auffinden ihrer Leiche wurden der Barmann und die Kellnerinnen, die in dieser Nacht gearbeitet hatten, ausführlich vernommen. Sie grenzten Roxannes Aufenthalt in der Bar auf die Zeit von zehn bis Mitternacht ein, aber es war voll an dem Abend, so dass niemand sich genau daran erinnerte, wann sie gegangen war. Der Laden macht um eins zu.«
»Wie wollen die also gewusst haben, dass sie die Bar gegen Mitternacht verlassen hat?«
»Ihre Rechnung wurde gegen zwölf bezahlt. Sie könnte noch eine Weile geblieben sein, aber nehmen wir einfach mal an, dass sie um den Dreh herum gegangen ist. Der Barmann erinnerte sich tatsächlich daran, dass sie sich mit ein paar Leuten unterhalten hatte – Jungs und Mädchen. Sie schien sich gut zu amüsieren. In der Akte steht nichts von Soldaten oder irgendjemandem in Uniform.«
»Das könnte eine Sackgasse sein.«
»Könnte sein. Die Ermittler besuchten das El Gaucho ein paar Tage später erneut, für eine zweite Gesprächsrunde mit den Angestellten und einheimischen Stammgästen. Unter denjenigen, die sich an Roxanne erinnerten, war ein Mann namens Chuck Tinsley.«
»Wow!« Decker war verblüfft. Normalerweise rückten sich die Dinge nicht so zurecht. »Erzähl weiter!«
»Chuck arbeitete in einem Holzlager. Er lebte, als sie ermordet wurde, ungefähr sechs Straßen vom El Gaucho und zehn Straßen von Roxannes Wohnung entfernt.«
Decker hob eine Augenbraue. »Was hatte Chuck laut Aktenlage in eigener Sache zu sagen?«
»Er behauptete, sie vom Sehen zu kennen und vielleicht ein
paar Mal mit ihr im El Gaucho ein paar Worte gewechselt zu haben. Das übliche Blabla. Nun hat sich aber ein Stammgast daran erinnert, die beiden im Gespräch gesehen zu haben, und zwar in der Nacht, als sie verschwand.«
»Das ist allerdings auffällig.«
»Chucks Alibi basierte darauf, dass er im Restaurant war, bis die Bar zugemacht hat. Und das wurde vom Barmann bestätigt.«
»Also sagt er, er kann es nicht gewesen sein, wenn Roxanne gegen zwölf überfallen wurde, weil er noch bis ein Uhr morgens in dem Lokal war.«
»Genau. Aber wenn der Laden brummt und sich niemand genau daran erinnert, wann Roxanne gegangen ist, hätte Tinsley leicht verschwinden und wiederkommen können. Mal ehrlich, Loo, was hat er mit Roxannes Halskette zu schaffen?«
Decker dachte einen Moment nach. »Vielleicht haben wir so viel Glück, DNA aus dem Haar herauslösen zu können, und vielleicht stimmt sie mit der von Roxanne überein. Dann können wir laut sagen, dass Tinsley im Besitz ihrer Halskette ist. Sie wäre ein Indiz.«
»Ein bisschen mehr als ein Indiz.«
»Sicher. Dass Chuck in der Nachbarschaft war, ist sowohl gut als auch schlecht. Du kannst dafür plädieren, dass Tinsley etwas mit dem Mord zu tun hat. Oder du kannst dafür plädieren, dass Tinsley ihre Leiche nach dem Mord gefunden und ihr die Kette vom Hals gerissen hat.« Als Wanda ihn skeptisch ansah,
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