Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
mich die Leute außerdem mehr oder weniger so wie Tess. Ich war keine Gefangene mehr, ich war Carmichaels Assistentin und damit so unwichtig, dass meine Gegenwart ignoriert wurde. Mit anderen Worten, die Leute redeten über mich hinweg, als wäre ich ein Möbelstück. Matasumi redete mit Carmichael, die Wachleute redeten miteinander, Tess redete mit dem niedlichen Hausmeister. Alle Welt redete. Und ich hörte zu. Erstaunlich, was man auf diese Weise so alles mitbekam – nicht nur Einzelheiten über die Anlage und ihre Organisationsstruktur, sondern auch Kleinigkeiten, wie etwa, welche Wachleute den Ruf hatten, nachlässig zu werden. Faszinierende Dinge.
Später am Tag hatte ich sogar Gelegenheit, Armen Haig wieder zu sehen und auch den Vodounpriester, Curtis Zaid, der nach wie vor höchst lebendig war. Bei Zaid hatte ich nicht viel Erfolg. Wenn Leah es wirklich fertig gebracht hatte, sich mit ihm anzufreunden, wie Bauer erzählt hatte, dann musste sie noch besser mit Leuten umgehen können, als ich gedacht hatte. Als ich versuchte, mit Zaid zu reden, erwiderte er sogar Nettigkeiten wie »guten Morgen« mit giftigen Blicken und Schweigen. Ganz entschieden kein potenzieller Verbündeter. Bei Armen dagegen waren die Aussichten sehr viel versprechend. Nicht nur, weil er fliehen wollte und jemanden suchte, der ihm dabei half, er hatte auch seine Hausaufgaben gemacht. Er wusste über das Überwachungssystem, den Dienstplan der Wachmänner und die Bauweise der Anlage Bescheid. Besser noch, er brachte es fertig, diese Information unter Carmichaels Nase an mich weiterzugeben; er brachte sie in einer so banalen Unterhaltung unter, dass sie es nicht einmal bemerkte. Einfallsreich, außergewöhnlich intelligent und ein guter Beobachter. Genau mein Typ Mann … als Partner für die Flucht, wohlgemerkt.
Ausweg
Die nächste Krise war eine weitere Reihe von Anfällen. Nachdem wir mit Bauer fertig geworden waren, konnte ich nicht mehr still sitzen. Ich strich durch die Krankenstation, berührte dies, spielte mit jenem, bis ich mit dem Knie einen stählernen Wagen rammte und Carmichael endlich von ihrem Papierkram aufsah.
»Würden Sie sich hinsetzen?«, schnappte sie. »Bevor Sie irgendwas zerbrechen?«
Ich ging zu meinem Stuhl, sah ihn an und ging zu Bauers Tropf hinüber.
»Lassen Sie –«, begann Carmichael.
»Was ist da drin?«
»Eine Lösung aus überwiegend Wasser und –« Carmichael brach ab, als sie bemerkte, dass ich bereits weiterging. Jetzt war es der piepsende Herzmonitor, der meine Aufmerksamkeit erregt hatte. »Müssen Sie demnächst eine Wandlung machen?«
Ich überlegte. Meine letzte Wandlung war am frühen Montagmorgen gewesen, vor nunmehr fast fünf Tagen. Wie bei den meisten Werwölfen dauerte mein Zyklus eine Woche. Das bedeutete, ich konnte mich zwar verwandeln, so oft ich wollte, musste es aber mindestens einmal pro Woche tun, wenn ich nicht riskieren wollte, dass mein Körper eine Wandlung erzwang. Ich spürte bereits, wie Rastlosigkeit durch mich hindurchzuströmen begann. Bald würden meine Muskeln ziehen und schmerzen. Im Augenblick hatte ich es allerdings noch unter Kontrolle. Ein paar Tage blieben mir noch. Wenn ich hier eine Wandlung durchmachen musste, würden sie mich dafür wahrscheinlich in eine Zelle stecken, geschlossen zum Zusehen aufmarschieren und das Ganze auf Video aufnehmen. Ich war bereit, eine ganze Menge Unannehmlichkeiten zu ertragen, bevor ich das zuließ.
»Nein, noch nicht«, sagte ich. »Ich bin bloß ruhelos. Ich bin nicht daran gewöhnt, so lange auf so engem Raum eingesperrt zu sein.«
Carmichael schob die Hülle auf ihren Stift. »Ich könnte wahrscheinlich arrangieren, dass Sie einen Spaziergang durch die Anlage machen dürfen. Unter ausreichender Bewachung. Ich hätte in Ihrem Programm gleich Trainingseinheiten empfehlen sollen.«
»Training?«, sagte eine Stimme von der Tür her. »Verwenden Sie in meiner Anlage doch keine solchen Worte.«
»Hallo, Tyrone«, sagte Carmichael, ohne sich nach ihm umzudrehen. »Brauchen Sie irgendwas?«
Winsloe kam hereingeschlendert und grinste mich an. »Genau das, was Sie hier haben. Ich dachte, ich leiste Elena ein bisschen Gesellschaft, damit Sie in Frieden arbeiten können.«
»Das ist sehr … rücksichtsvoll von Ihnen, Tyrone, aber ich fürchte, Sie werden noch etwas warten müssen, wenn Sie mit Ms. Michaels reden wollen. Ich wollte gerade ein paar zusätzliche Wachleute anfordern, damit sie sich die Füße vertreten
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