Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
kann. Sie ist ruhelos.«
»Ruhelos? Ist sie kurz vor der Wandlung?«
»Nein, das ist sie nicht.« Carmichael legte ihr Klemmbrett mit einem Knall auf den Tisch und ging zur Sprechanlage hinüber.
»Es müsste aber bald so weit sein. Vielleicht braucht sie –«
»Nein, das tut sie nicht.«
Carmichael drückte auf den Knopf der Sprechanlage. Winsloe trat hinter sie und schaltete die Anlage wieder ab.
»Sie haben gesagt, sie muss sich bewegen?«, fragte Winsloe. »Wie wäre es mit dem Trainingsraum? Rufen Sie noch ein paar Wachleute, und ich bringe sie selbst hin.«
Carmichael machte eine Pause, sah von Winsloe zu mir und sagte dann: »Ich glaube nicht, dass das eine so gute Idee ist. Ein Spaziergang –«
»Reicht nicht aus«, sagte Winsloe mit seinem Kleinejungsgrinsen. »Oder, Elena?«
Ich überlegte. Einerseits wäre ich lieber herumgegangen und hätte mir die Anlage angesehen; andererseits musste ich mich bei Winsloe beliebt machen, ihm einen Grund liefern, mich am Leben zu lassen. »Ein Trainingsraum wäre besser.«
Carmichael fing meinen Blick auf, wie um mir mitzuteilen, dass ich nicht mit Winsloe gehen musste, wenn ich nicht wollte. Als ich fortsah, sagte sie: »In Ordnung« und drückte auf den Knopf der Sprechanlage.
Wir ließen meine beiden internen Bewacher in der Krankenstation zurück, nahmen die beiden vor der Tür aber mit und lasen noch drei weitere auf, was bedeutete, dass ich von mehr als doppelt so viel Muskeln und Feuerkraft bewacht wurde wie Bauer. Verfehlte Prioritäten, aber niemand fragte mich nach meiner Meinung, und ich würde nur meine Zeit verschwenden, wenn ich sie trotzdem äußerte. Ich war schon überrascht, dass Carmichael mir nicht sämtliche verfügbaren Wachmänner zuteilte und sich währenddessen allein um Bauer kümmerte.
Der Trainingsraum war weder größer noch besser ausgestattet als der in Stonehaven. Er maß etwas mehr als fünf Meter im Quadrat und enthielt ein kombiniertes Krafttrainingsgerät, Gewichte, einen Sandsack, ein Laufgerät, ein Skigerät und einen Stepper. Geräte zum Herz-Kreislauf-Training hatten wir in Stonehaven nicht. Ganz gleich, wie schlecht das Wetter war – wir joggten lieber im Freien, als in einem Innenraum wie die Hamster in einem Laufrad herumzurennen. Und was den Stepper anging – Hinterbacken wie Stahl gehörten nicht zu den obersten Prioritäten eines Werwolfs und nach dem Staub zu urteilen, der auf dem Gerät lag, hielten auch die Wachleute nicht viel von ihm.
Drei Männer waren beim Workout, als wir eintraten. Winsloe sagte ihnen, sie sollten gehen. Einer davon tat es. Zwei blieben, um sich die Show anzusehen. Ein Mädchen beim Gewichtheben. Wow – was für eine Neuheit. Sie waren offenbar schon lang nicht mehr in einem öffentlichen Fitnessstudio gewesen.
Ich blieb nicht lange beim Gewichtheben. Jedes Mal, wenn ich mich hinsetzte, war Winsloe da, überprüfte das Gewicht, fragte mich, wie viel ich schaffte, und ging mir ganz generell gründlich auf die Nerven. Ihm eine fünfzig Pfund schwere Hantel auf den Fuß fallen zu lassen, war wohl eine schlechte Idee, daher gab ich das Gewichtheben auf. Ich versuchte es mit dem Laufband, kam mit der Programmierung aber nicht zurecht. Winsloe bot seine Hilfe an und schaffte es, den Computer einfrieren zu lassen. Sein technisches Know-how ging allem Anschein nach nicht über PCs hinaus. Es kam nicht weiter drauf an; mir war sowieso nicht nach Joggen. Was ich wirklich wollte, war, auf etwas einzuschlagen – fest. Der perfekte Blitzableiter hing in der Ecke. Der Sandsack.
Als ich mir die Handschuhe überzog, drängten die Zuschauer sich näher heran. Vielleicht hofften sie, ich würde Winsloe verprügeln. Ich ging zu dem Sandsack hinüber und verpasste ihm einen Versuchsschlag. Ein kollektiver Atemzug stieg von der Meute auf. Oooh, sie will kämpfen. Wow. Wenn da jetzt nur noch eine weitere Frau gewesen wäre statt eines Sandsacks. Aber man kann nicht alles haben, stimmt’s?
Ich drosch ein paarmal auf den Sack ein, um ein Gefühl für ihn zu bekommen, rief mir die Haltung und die Bewegungen ins Gedächtnis. Ein paar langsame Hiebe. Dann schneller. Wieder langsamer. Rechter Haken. Winsloe schob sich seitlich so nahe heran, dass ich ihn am Rand meines Blickfelds sehen konnte.
Wenn ich geschickt schielte, konnte ich sein Bild vor den Sandsack schieben. Bam-bam-bam. Drei blitzschnelle Schläge. Aus dem Augenwinkel sah ich ihn starren, die Lippen geöffnet, mit leuchtenden Augen.
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