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Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin

Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin

Titel: Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Händen, die Handflächen über die Augen gelegt. Sein Kinn war nass, und auf einem Ärmel zeichnete sich ein feuchter Fleck ab. Der letzte Wachmann stand an der gegenüberliegenden Wand und stützte sich mit ausgestreckten Armen an ihr ab; sein Kopf war gebeugt, seine Brust arbeitete. Als ich mein Gewicht nach vorn verlagerte, rutschte mein Schuh. Irgendwas Glitschiges war auf dem Boden. Ich sah nach unten. Eine Pfütze von undurchsichtiger gelbbrauner Flüssigkeit. Erbrochenes. Ich sah wieder auf. Die Tür zur Krankenstation war geschlossen. Ich ging weiter, immer noch wie in Zeitlupe. Gesichter wandten sich mir zu. Die Menge teilte sich, nicht um mich durchzulassen, sondern um mir nicht zu nahe zu kommen. Neun Augenpaare lagen auf mir. Ihr Ausdruck reichte von Ängstlichkeit bis zu Abscheu.
    »Was ist hier los?« Winsloes Stimme hinter mir ließ die Illusion zerbersten.
    Jetzt konnte ich wieder riechen: Erbrochenes, Schweiß, Besorgnis und Furcht. Jemand murmelte etwas Unverständliches. Winsloe schob sich an mir vorbei, um durch das Fenster in der Tür der Krankenstation zu sehen. Alles erstarrte und hielt unwillkürlich den Atem an.
    »Heiliger Bimbam!«, sagte Winsloe. In seiner Stimme lag nicht Entsetzen, sondern Staunen. »Hat Elena das – oh, Scheiße, ich seh’s schon. Verdammt, das muss man mal gesehen haben!«
    Fast gegen meinen Willen trugen mich meine Füße zur Tür hinüber. Winsloe trat zur Seite, um mir Platz zu machen, legte mir dann den Arm um die Taille und zog mich näher heran.
    »Kannst du dir das vorstellen?«, sagte er und lachte dann. »Ich nehme mal an, du kannst, stimmt’s?«
    Zunächst sah ich gar nichts. Oder jedenfalls nichts Ungewöhnliches. Dem Fenster gegenüber war eine Theke, leuchtend aseptisches Weiß; das Edelstahlbecken glänzte wie in einem Ausstellungsraum für Küchen. Eine Reihe Flaschen stand exakt aufgereiht an der Rückwand. Carmichaels Ordner lag in einem präzisen rechten Winkel neben dem Becken. Alles aufgeräumt und fleckenlos wie üblich. Dann fiel mein Blick auf etwas am Sockel der Theke. Etwas Obszönes in all der makellosen Reinheit. Einen sternförmigen Blutspritzer.
    Mein Blick glitt über den Fußboden. Blutschmiere, ein paar Zentimeter von der Theke entfernt. Dicke Tropfen, die in einer Zickzacklinie zu dem Notfallwagen hinüberführten. Der Karren umgeworfen, sein Inhalt verstreut und zerbrochen. Eine Blutlache. Ein Schuhabdruck in der Mitte, die Kanten rasiermesserscharf. Dann ein weiterer verschmierter Fleck, größer; der blutige Schuh war über den Boden gerutscht. Der Aktenschrank. Der hundert Pfund schwere Schrank war umgekippt und schirmte jetzt die hintere Ecke des Raums ab, als hätte jemand ihn umgeworfen und sich hinter dieser Barrikade verschanzt. Blutverspritzte Papiere waren über den Boden verstreut. Unter dem Bett ein Schuh mit blutiger Sohle. Über dem Schuh ein Bein. Ich fuhr herum, um den anderen zu sagen, dass jemand dort drin war. Da glitt mein Blick das Bein entlang bis zum Knie, dann zu einer Lache von leuchtendem Dunkelrot und dann ins Nichts. Ein abgetrenntes Bein. Mein Magen machte einen Satz bis in die Kehle. Ich wandte mich ab, schnell, aber nicht schnell genug. Ich sah eine Hand ein paar Schritte vom Bett entfernt liegen. Näher an der Tür, halb verdeckt von einem heruntergefallenen Tablett, einen blutigen Fleischklumpen, der einmal ein Mensch gewesen war.
    Etwas prallte gegen die Tür, so hart, dass der Stoß mich nach hinten warf. Ein wütendes Brüllen. Ein Aufblitzen von gelbbraunem Pelz. Ein Ohr. Eine bluttriefende Schnauze. Bauer.
    »Betäubungsmittel«, keuchte ich, während ich das Gleichgewicht zurückgewann. »Wir müssen sie sedieren. Jetzt.«
    »Das ist ja das Problem«, sagte Tucker. »Die sind alle da drin.«
    »Alle?« Ich holte Luft, zwinkerte, bemühte mich darum, mein Hirn wieder anzuwerfen. Ich rieb mir mit der Hand übers Gesicht, richtete mich auf und sah mich um. »Irgendwo muss doch noch ein Notvorrat sein. Wo ist Dr. Carmichael? Sie wird Bescheid wissen.«
    Niemand antwortete. Als die Sekunden vergingen, rebellierten meine Eingeweide von neuem. Ich schloss die Augen und zwang mich dann, durch das Fenster zu sehen, zu dem Fuß unter dem Bett. Dem Schuh. Einem robusten schwarzen Schuh. Carmichaels Schuh.
    O Gott. Dies war nicht fair. Es war so, so, so unglaublich. Von allen Leuten in diesem gottverdammten Laden. Unter all denen, die ich mit Vergnügen sterben sehen würde. Unter den wenigen, bei denen

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